Ukrainische Soldaten mit Flagge und in Umarmung
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Endlich wieder in Freiheit: Ende Januar wurden diese ukrainischen Soldaten nach russischer Gefangenschaft wieder in die ihre Heimat entlassen.

Folter und Scheinhinrichtungen

UN-Bericht: Ukrainische Kriegsgefangene wurden von russischen Streitkräften gefoltert

  • Marcus Giebel
    VonMarcus Giebel
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Im Ukraine-Krieg erleben Gefangene unmenschliche Torturen, von hin zu Scheinhinrichtungen. Ein UN-Team gibt nach Gesprächen mit Betroffenen Einblicke.

Genf – Im Ukraine-Krieg verlieren nicht nur Hunderttausende Menschen ihr Leben. Ebenso entsagen offensichtlich viele weitere jeglicher Menschlichkeit. Darauf lässt ein neuer UN-Report schließen, der offenbart, wie Kriegsgefangene auf beiden Seiten misshandelt werden. Auch hier scheinen Russland und damit Kreml-Chef Wladimir Putin keine Grenzen zu kennen. In seinem 38. Bericht untersuchte das Office of the High Commissioner for Human Rights (OHCHR) die Menschenrechtslage in der Ukraine zwischen dem 1. Dezember 2023 und dem 29. Februar 2024.

UN-Bericht über Folter im Ukraine-Krieg: Misshandlungen an der Tagesordnung

Neben den zivilen Opfern geht es darin eben auch um die in Gefangenschaft geratenen Personen. Mit 60 ukrainischen Männern sprachen die Menschenrechtler, nachdem diese aus russischer Haft freigekommen waren. Außerdem wurden 44 russische Kriegsgefangene befragt, die in den Regionen Dnipro, Charkiw, Lwiw, Mikolajiw, Sumy, Winnyzja und Saporischschja festgehalten werden.

Die erwähnten Ukrainer befanden sich zwischen mehreren Wochen und 22 Monaten in der Gewalt russischer Truppen und wurden in verschiedenen Einrichtungen sowohl auf besetztem Gebiet als auch in Russland festgehalten. Sie berichteten demnach von wiederholter Folter, Misshandlungen und Isolation. Diese seien an der Tagesordnung. Die Haftbedingungen hatten erhebliche Auswirkungen auf ihr körperliches und geistiges Wohlbefinden, langanhaltende Folgen seien nicht auszuschließen. Ähnliche Vorwürfe gibt es schon seit Monaten.

Video: Uno wirft Russland schwere Kriegsverbrechen vor

Tortur der Gefangenen im Ukraine-Krieg: Elektroschocks und Scheinhinrichtungen erlebt

58 der 60 Ukrainer gaben dem OHCHR, einem Nebenorgan der UN-Generalversammlung, detaillierte Einblicke in die Tortur, der sie ausgesetzt waren. Die Rede war von Schlägen, Elektroschocks und Scheinhinrichtungen.

Ein Mann berichtete, er sei im November 2023 in der Region Saporischschja verhaftet und in einen Schuppen verschleppt worden. Darin hätten ihn drei russische Soldaten verhört und gefoltert, um militärische Informationen aus ihm herauszupressen.

Er sei ins Gesicht und gegen den Oberkörper geschlagen worden, dabei seien mehrere Rippen gebrochen. Zudem sei ihm eine Plastiktüte über das Gesicht gezogen worden, sodass er fast erstickt wäre. Die Soldaten hätten obendrein damit gedroht, ihm ein Ohr abzuschneiden, indem sie ein Messer dagegen drückten, und ihn hinzurichten.

Folter in russischen Gefangenenlagern: Schlafentzug durch laute Musik - Toilettennutzung als Ausnahme

Andere offenbarten, sie seien während der Einweisung in ein anderes Gefangenenlager, bei täglichen Inspektionen ihrer Zelle, beim Hofgang oder beim Weg zur Dusche geschlagen worden. Sie seien gezwungen worden, längere Zeit zu stehen oder der Kälte ausgesetzt worden, mussten sich etwa im Winter draußen barfuß bewegen.

In manchen Lagern war die Nutzung der Toilette nur erlaubt, wenn zuvor über Lautsprecher dazu aufgerufen wurde. Einige Gefangene sahen sich Schlafentzug ausgesetzt, indem sie genötigt wurden, nachts nacheinander eine Zahl laut aufzusagen. Außerdem sei in Nächten laute Musik abgespielt worden. 39 der interviewten Ex-Gefangenen wurden eigenen Angaben zufolge Opfer sexueller Gewalt.

Nawalny verlängert die Liste der Opfer Putins – ein Überblick

Alexej Nawalny
Alexej Nawalny war über Jahre der markanteste Kopf der russischen Opposition. Schon früh prangerte der Rechtsanwalt das Machtlager von Präsident Wladimir Putin offen als „Partei der Gauner und Diebe“ an.  © Andrei Zhilin/afp
Wahlen 2012 in Russland: Nawalny protestiert gemeinsam mit Schach-Großmeister Garry Kasparow (l.) für faire Wahlen in Russland – am Ende gewann Wladimir Putin.
Wahlen 2012 in Russland: Nawalny protestiert gemeinsam mit Schach-Großmeister Garry Kasparow (l.) für faire Wahlen in Russland – am Ende gewann Wladimir Putin. © Anatoly Maltsev / dpa
Alexej Nawalny
2013 trat er als Bürgermeisterkandidat in Moskau an und erreichte mit 27 Prozent der Stimmen den zweiten Platz. Später organisierte er Massenproteste im ganzen Land, besonders aber in Moskau. 2018 wollte Nawalny selbst Präsident werden, doch die Justiz schob ihm einen Riegel vor. Wiederholt wurde er wegen Betrugs- und Diebstahlsvorwürfen vor Gericht gestellt und verurteilt. © Kirill Kudryavtsev/afp
Nawalny – damals bereits sozusagen der Superstar der Protestbewegung in Russland – mit seiner Ehefrau Julija, vor Gericht. Nach seinen Protesten kam er damals vorerst frei.
Nawalny – damals bereits sozusagen der Superstar der Protestbewegung in Russland – mit seiner Ehefrau Julija, vor Gericht. Nach seinen Protesten kam er damals vorerst frei. © Valentina Svistunova / dpa
Kreml-Kritiker Nawalny 2017 nach einer Farbattacke vor seinem Büro.
Kreml-Kritiker Nawalny 2017 nach einer Farbattacke vor seinem Büro. © Evgeny Feldman / dpa
Nawalny vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte im Jahr 2018. Dort war Russland zuvor wegen Festnahmen des Kreml-Kritikers verurteilt worden.
Nawalny vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte im Jahr 2018. Dort war Russland zuvor wegen Festnahmen des Kreml-Kritikers verurteilt worden. © Jean-Francois Badias / dpa
Ein großes Portrait von Alexej Nawalny mitten in St. Petersburg. Nach nur wenigen Minuten ließ man es wieder überstreichen.
Ein großes Portrait von Alexej Nawalny mitten in St. Petersburg. Nach nur wenigen Minuten ließ man es wieder überstreichen. © Alexander Demianchuk / Imago
Alexej Nawalny
Im August 2020 brach Nawalny bei einer Reise zusammen und fiel ins Koma. Grund war eine Vergiftung mit dem Nervenkampfstoff Nowitschok, wie Untersuchungen an der Charité in Berlin bewiesen. © Instagram account @navalny/afp
Alexej Nawalny
Im Januar 2021 kehrte Nawalny nach Russland zurück, wo er erneut vor Gericht gestellt und unter anderem wegen angeblichem „Extremismus“ zu 19 Jahren Lagerhaft verurteilt wurde. Im Dezember 2023 folgte die Verlegung in ein Lager hinter dem Polarkreis. Am 16. Februar 2024 starb Nawalny nach Justizangaben in dem Straflager. Er sei nach einem Hofgang zusammengebrochen, teilte die Gefängnisverwaltung mit.  © Vera Savina/afp
Am 16. Februar 2024 kommt überraschend dann die Info aus Russland, Nawalny sei im Strafgefangenenlager gestorben
Am 16. Februar 2024 kommt überraschend dann die Info aus Russland, Nawalny sei im Strafgefangenenlager gestorben. Weltweit wird um den Kreml-Kritiker getrauert. © IMAGO/Vuk Valcic / ZUMA Wire
Jewgeni Prigoschin
Jewgeni Prigoschin war in Russland als skrupelloser Unternehmer mit krimineller Vergangenheit bekannt. Er und Putin kannten sich lange. Als der heutige Präsident noch in der St. Petersburger Stadtverwaltung arbeitete, soll er in Prigoschins Restaurant eingekehrt sein. Deshalb war Prigoschin, der mehrere Jahre wegen Raubs in Haft saß, auch als „Putins Koch“ bekannt. Niemand sonst in Russland traute sich solche Kritik wie Prigoschin © ITAR-TASS/Imago
Jewgeni Prigoschin
Über Monate hinweg legte sich Jewgeni Prigoschin mit der Militärführung in Moskau an. Immer wieder warf der Chef der russischen Privatarmee Wagner dem Verteidigungsministerium und dem Generalstab der Armee vor, Präsident Wladimir Putin zu belügen. Mit einem bewaffneten Aufstand seiner Privatarmee forderte Prigoschin aber auch Putin selbst heraus. © Sergey Pivovarov/Imago
Jewgeni Prigoschin
Nach seinem gescheiterten Aufstand sahen Fachleute den Söldnerchef aber dem Tode geweiht. Kremlchef Putin hatte die Kämpfer um seinen Ex-Vertrauten als Verräter bezeichnet. Tatsächlich starb Prigoschin zwei Monate nach seiner Meuterei gegen die russische Staatsmacht im August 2023 bei einem Flugzeugabsturz in Russland. © Imago
Boris Nemzow
Der Oppositionspolitiker Boris Nemzow galt als einer der schillerndsten und mutigsten Politiker Russlands. Feinde machte er sich vor allem mit seiner Kritik an der Ukraine-Politik von Kremlchef Wladimir Putin. Er wurde zur Galionsfigur der zersplitterten Opposition und galt als Unterstützer der Richtung Westen strebenden Ukraine. © Oxana Onipko/afp
Boris Nemzow
Nemzow wurde im Februar 2015 durch mehrere Schüsse in den Rücken aus einem Auto heraus erschossen. Der Mord wirft noch immer viele Fragen auf. Die EU drängte Russland wiederholt dazu, den Fall weiter aufzuklären. Ein Gericht in Moskau verurteilte 2017 den mutmaßlichen Mörder und vier Komplizen aus dem Nordkaukasus zu langen Haftstrafen. Nemzows Familie beklagte, dass nach den Drahtziehern nie wirklich gesucht worden sei. © afp
Boris Nemzow
In den 1990er Jahren hatte sich Nemzow als liberaler Reformer in Russland einen Namen gemacht. Präsident Boris Jelzin (rechts im Bild) holte ihn einst in die Regierung nach Moskau. Nemzow war zeitweilig auch als Präsidentenanwärter gehandelt worden. „Ich bin liberal, was Wirtschaftsfragen angeht, aber für eine starke Staatsmacht in der Politik“, sagte er einmal. © TASS/afp
Alexander Litwinenko
Der Putin-Kritiker Alexander Litwinenko starb im November 2006 in London nach einem Anschlag mit dem radioaktiven Gift Polonium 210. Einem Untersuchungsbericht zufolge soll ihm das Strahlengift in einem Londoner Hotel in den Tee gemischt worden sein. Unter den Augen der Weltöffentlichkeit siechte Litwinenko tagelang dahin. Vom Krankenhausbett beschuldigte er Putin, hinter dem Anschlag zu stecken. Die britische Justiz sieht es ebenfalls als bewiesen an, dass die Spur in hohe politische Kreise in Moskau führt. Russland weist dies zurück. © Sergei Kaptilkin/dpa
Anna Politkowskaja
Die Journalistin Anna Politkowskaja machte sich als Kritikerin der Kriege in Tschetschenien einen Namen. Die Mitarbeiterin Oppositionszeitung Nowaja Gaseta berichtete über Kriegsverbrechen der russischen Armee und der verbündeten tschetschenischen Gruppen und sprach von einem „schmutzigen Krieg“. Häufig musste sie sich gegen Drohungen wehren. Am 7. Oktober 2006 wurde sie vor ihrer Wohnung in Moskau erschossen. Politkowskajas Familie vermutet ein politisches Motiv für die Tat.  © Imago
Boris Beresowski
Die Serie von mitunter rätselhaften Todesfällen, hinter denen russische staatliche Stellen vermutet werden, ist noch sehr viel länger. Der Oligarch Boris Beresowski (Mitte) fiel nach dem Machtantritt Putins in Ungnade und floh nach Großbritannien. Am 23. März 2013 wurde Beresowski tot im Bad seines Hauses in Ascot gefunden.  © Shaun Curry/afp
Pawel Scheremet
Im Juli 2016 kam der russische Exil-Journalist Pawel Scheremet in Kiew durch eine Autobombe ums Leben. Scheremet engagierte sich während der Maidan-Proteste 2013/2014 in Kiew aufseiten der prowestlichen Kräfte und wurde später Redakteur beim renommierten Internetportal Ukrainskaja Prawda. © Dmytro Larin/afp
Denis Woronenkow
2017 wurde der abtrünnige russische Abgeordnete Denis Woronenkow auf offener Straße in Kiew erschossen. Auch sein Fall wurde nie aufgeklärt. © ITAR-TASS/Imago
Sergej Magnizki
Sergej Magnizki starb 2009 unter ungeklärten Umständen in einem Moskauer Gefängnis. Angeblich wurde der Anwalt, der nach eigenen Angaben einen Steuerbetrug aufgedeckt hatte, zu Tode geprügelt. Medizinische Hilfe wurde im verweigert.  © HO/Hermitage Capital Management/afp
Baburowa/Markelow
Die Journalistin Anastassija Baburowa und der Menschenrechtsanwalt Stanislaw Markelow wurden 2009 auf der Straße in Moskau erschossen. Für die Tat wurden ein Rechtsextremist und eine Komplizin zu langen Haftstrafen verurteilt. Sie hatten ihre Schuld bestritten. © ITAR-TASS/Imago
Natalia Estemirowa
Die Menschenrechtlerin Natalia Estemirowa wurde 2009 in der Konfliktregion Nordkaukasus erschossen aufgefunden. Mit Berichten über das Verschwinden von Zivilpersonen in dem Gebiet hatte sie sich wiederholt den Zorn der Machthaber zugezogen. © Memorial/afp
Sergej Juschenkow
Eines der ersten Todesopfer war Sergej Juschenkow. Der Duma-Abgeordnete wurde im April 2003 in Moskau erschossen. Juschenkow war der Staatsführung ein Dorn im Auge, wenngleich der Politiker über wenig Macht und Einfluss verfügte.  © Roman Mukhamedzanov/Vremya Novos/afp

Gefangene im Ukraine-Krieg: In Lagern gehen Krankheiten um - Kampfunfähige werden exekutiert

Auch weil es in den Zellen gerade im Winter sehr kalt war, gingen unter den Inhaftierten Krankheiten um. In einer Einrichtung wurden den Gefangenen demnach 21 Monate lang Artikel zur Zahnhygiene vorenthalten. Tuberkulose habe sich in fünf Lagern verbreitet.

Das OHCHR dokumentierte den Tod eines Kriegsgefangenen infolge von Folter, schlechten Haftbedingungen und Krankheiten bei unzureichender medizinischer Versorgung. Teilweise hätten sich die Zustände aber auch gebessert, etwa im Rahmen von Besuchen hochrangiger Offizieller oder bei einem Wachwechsel. Zuletzt hatten auch russische Soldaten Folter und Misshandlung im eigenen Lager öffentlich gemacht.

Zudem sollen mindestens 32 ukrainische Kriegsgefangene in diesen drei untersuchten Monaten hingerichtet worden sein. Es habe sich um zwölf unterschiedliche Vorfälle gehandelt. Das OHCHR konnte drei dieser Fälle verifizieren, in denen sieben kampfunfähige Ukrainer exekutiert wurden. Manche Soldaten sollen ukrainische Gefangene als Schutzschilde missbraucht haben.

Inhaftiert: Russische Kriegsgefangene stehen in einem ukrainischen Lager aufgereiht an einer Mauer.

Ukraine-Krieg und russische Gefangene: Schläge auf dem Weg ins Krankenhaus

Bezüglich der gefangenen Russen, unter denen sich auch ein Armeekommandant befinden soll, würdigen die Menschenrechtler die Bemühungen der Regierung in Kiew um Präsident Wolodymyr Selenskyj, Bedingungen zu schaffen, um die Inhaftierten in offiziellen Einrichtungen unterzubringen, die internationalen Standards entsprechen. Allerdings gebe es auch hier glaubwürdige Anschuldigungen von Folter und Misshandlungen.

Diese beziehen sich jedoch nicht auf die Zeit in den Gefangenenlagern, sondern die Stunden nach der Festnahme. So wurden acht der Befragten demnach für mehrere Tage oder sogar anderthalb Monate in Kellern privater Gebäude festgehalten. 13 Gefangene berichten von Schlägen, Elektroschocks und Scheinhinrichtungen während der Verhöre, zwei wurden mit sexueller Gewalt bedroht. Sieben Personen wurden ihren Angaben zufolge auf dem Weg in ein Krankenhaus in Charkiw geschlagen.

Das OHCHR betont zudem, dass ukrainische Behörden im August 2023 beschlossen hätten, sich für gemischte medizinische Kommissionen einzusetzen, um kranke und verwundere Kriegsgefangene in einem neutralen Land behandeln zu lassen. Russland sei gebeten worden, diesen Vorschlag abzusegnen, habe dies jedoch nicht befürwortet. (mg)

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