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BAföG-Reform und Studienstarthilfe: Breite Kritik an „Nullrunde“ für Studierende
VonKilian Beck
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Die Ampel-Regierung reformiert das BAföG. Zentral ist die Studienstarthilfe für sozial Schwache. Ansonsten ändert sich wenig. Daran hagelt es Kritik.
Berlin – Investitionen in die Bildung waren zu Beginn eines der Konsensthemen der Ampel-Koalition. Am Mittwoch (6. März) beschloss das Bundeskabinett nun die zweite Reform des BAföG in der laufenden Amtsperiode, mit dem Studierende aus sozial schwächeren Familien ihr Studium finanzieren sollen. Zentrale Änderung: Studienanfänger aus ärmeren Familien sollen ab Herbst vom Staat 1000 Euro Startgeld für die Anschaffung eines Laptops, für Lehrbücher oder zur Finanzierung des Umzugs zum Studienort bekommen. „Ein Studium darf nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen“, sagte Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) nach dem Beschluss in Berlin. An den Regelsätzen ändert sich nichts.
„BAföG reicht nicht mehr zum Leben“ – Matthias Anbuhl vom Deutschen Studierendenwerk
Und genau daran regt sich breite Kritik mit dem Tenor: zu wenig und zu spät. „Das BAföG reicht im Prinzip nicht mehr zum Leben aus“, sagte Matthias Anbuhl, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Studierendenwerks, dem NDR. Das BAföG besteht aus einem sogenannten Grundbedarf und einer Wohnkostenpauschale für Studierende, die nicht mehr bei Ihren Eltern leben. Letztmalig wurde es zum Wintersemester 2022 um 5,5 Prozent erhöht. Der Grundbedarf beträgt seither 452 Euro und die Wohnpauschale 360 Euro, für selbst versicherte Studierende gibt es Zuschläge. So ergibt sich ein möglicher Höchstsatz von 931 Euro, der sogar deutlich unter dem Bürgergeld liegt. Auch Abgeordnete von SPD und Grünen wollen hier im Bundestag noch nachbessern.
Aktuell geplante Änderungen an der BAföG-Förderung
Studienstarthilfe von einmalig 1000 Euro für Sozialhilfeempfänger
Digitale Antragsstellung ab Wintersemester
Anhebung der Freibeträge
Einführung eines „Flexibilitätssemesters“
Erleichterter Studiengangswechsel
Erhöhung der Rückzahlungsraten von 130 auf 150 Euro monatlich
Die „ärmsten der Studierenden“ wegen der Haushaltslage mit einer „Nullrunde“ abzuspeisen, wollte Anbuhl nicht akzeptieren und verwies auf den im Februar beschlossenen Bundeshaushalt. Dort seien 150 Millionen Euro für eine Reform des BAföG vorgesehen gewesen. Die Ministerin wolle mit ihrer, so Anbuhl, „kleinen Reform“ nur 62 Millionen investieren. Das bedeute, mehr als 80 Millionen Euro schieße, Stark-Watzinger „in den Wind“.
Eine Ministeriumssprecherin erklärte dies auf Anfrage damit, dass die Reform erst ab kommendem Wintersemester greife und deshalb im Haushaltsjahr 2024 weniger Geld für das BAföG ausgegeben werden müsse, als in den kommenden Jahren. Der Paritätische Gesamtverband fordert eine Anhebung der Bafög-Sätze konkret auf 800 Euro plus Wohnkostenzuschlag. „Die aktuellen Leistungen, die sogar noch unter Hartz IV beziehungsweise Bürgergeld liegen, sind völlig unzureichend“, kritisierte Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider.
Studierendenvertreter: Studienstarthilfe „überfällig“, Reform als Ganzes „nicht der große Wurf“
Spricht man sie auf Bildungspolitik im Bund an, so reagieren Studierendenvertreter inzwischen meist resigniert. Deutschland müsse sich schon fragen, „was ihm seine zukünftigen Hochschulabsolventen wert sind“, sagte An Tang, Co-Sprecher der Landesstudierendenvertretung Baden-Württemberg, im Gespräch mit kreiszeitung.de von IPPEN.MEDIA.
Die Reform begrüße er zwar, doch sei sie „nicht der große Wurf“. Die Studienstarthilfe sei „überfällig“ gewesen. Schärfer kritisierte der bundesweite freie Zusammenschluss von Student*innenschaften (fzs) das Projekt der Bundesregierung. Vorstand, Niklas Röpke, sprach im ZDF von einem „Schauprojekt“. Die geplante Studienstarthilfe reiche „nicht aus, um die Kosten am Anfang des Studiums nur ansatzweise zu decken“, kritisierte er. „Sei es die Kaution für die Wohnung oder das erste Mobiliar oder auch die Bücher, die man am Anfang des Studiums braucht.“
Thomas Jarzombek (CDU), bildungspolitischer Sprecher der Unionsfraktion, meinte, dass die „Freude“ über die einmaligen 1000 Euro „begrenzt“ bleiben werde, weil die monatlich ausbezahlten Bedarfssätze nicht steigen. Dadurch entstehe eine „Schere zwischen Bürgergeld und BAföG“. Das Bürgergeld wurde Anfang 2024 um gut 12 Prozent erhöht. Beim BAföG änderte sich nichts an den Bedarfssätzen. Zudem kritisierte er, dass die Wohnkostenpauschale nicht an die gestiegenen Kosten angepasst werde. Das bringe viele Studierende in „existenzielle Probleme“. Insbesondere Wohnkosten seien für Studierende häufig „jenseits von Gut und Böse“, sagte Studierendenvertreter Tang. Daher wäre es für ihn ein „erster Ansatz“, die Wohnkostenpauschale an die Mietpreise am Studienort zu koppeln.
Studieren in München: Nur halbes Einkommen für Miete, ist für BAföG-Empfängerin „Glück“
„Ich hatte wirklich Glück“, sagte eine Münchener Informatikstudentin, mit Blick auf ihre Miete, zu IPPEN.MEDIA. Vor der ersten BAföG-Reform habe sie gut drei Viertel ihres Einkommens für die Miete aufbringen müssen. Nun sei es wegen eines Umzuges und der Erhöhung nur noch etwa die Hälfte, erzählte die Studentin, die ihren Namen nicht veröffentlicht sehen möchte. Im bundesweiten Durchschnitt gaben Haushalte laut dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung 2022 etwa ein Drittel ihres Einkommens fürs Wohnen aus.
Die Studentin habe sich in der Phase steigender Inflation angewöhnt, zu „verzichten“. Die Teuerung habe sich an den „kleinsten Sachen“ bemerkbar gemacht, so habe sie ihre Ernährung auf möglichst gesundes und günstiges Essen umgestellt. Eine Erhöhung im Jahr 2022 habe da einiges gebracht, doch elterliche Unterstützung benötige sie weiterhin, damit komme sie insgesamt etwa auf den Höchstsatz von 934 Euro. Zwischenzeitlich habe ihr BAföG beinahe für das gut 600 Euro teure Münchener WG-Zimmer gereicht, inzwischen wohne sie weit weg vom Campus und dafür günstiger.
Stark-Watzinger verspricht digitalisiertes Antragsverfahren – CDU-Mann will Antragssystem „entrümpeln“
Für die Auszahlung der Studienstarthilfe versprach Stark-Watzinger ein unbürokratisches, „schlankes, digital verankertes Verfahren“ bei den Bafög-Ämtern. Allgemein erklärte sie die Absicht, das Antragsverfahren durch Pauschalierungen zu vereinfachen. Jarzombek forderte im Gespräch mit unserer Redaktion, das Antragswesen des BAföG müsste „entrümpelt“ werden, sodass es einfacher und vor allem schneller ausgezahlt werden könne. Aktuell müssten, aus seiner Sicht, „völlig absurde Nachweise“, beispielsweise über etwaige Vermögenswerte der Eltern, vorgelegt werden. Auch deswegen dauerte es oft Monate, bis ein Erstantrag bearbeitet sei. Die Münchener Informatikstudentin erzählte, auch ohne solche Dokumente vorweisen zu müssen, ziehe sich ein Antrag beim BAföG-Amt manchmal Monate hin.
Kabinett Scholz: Nach dem Ampel-Aus kommt Rot-Grün ohne Mehrheit
Jarzombek würde diesen Papierkram schlicht durch eine Kopie der elterlichen Steuererklärung, Stichprobenkontrollen und „entsprechende Strafen“ bei Betrug ersetzen. Zum Stichwort Papierkram kritisierte Jarzombek mangelnde Digitalisierung und forderte, die bestehende Plattform, über die Studierende ihren Energiekostenzuschuss beantragen konnten und ausgezahlt bekamen, zu einem „voll digitalisierten“ Antragssystem auszubauen. Studierendenvertreter Tang blieb skeptisch, ob eine Digitalisierung von Anträgen, wirklich alle bürokratischen Probleme des Systems lösen würde. Sinnvoller wären geringere Hürden beim Antrag auf BAföG. Das würde die teils überforderten Ämter entlasten und Studierenden mehr Sicherheit geben. (kb mit dpa und afp)