Forschungsinstitut warnt
Atommächte rüsten auf: „Einer der gefährlichsten Zeiträume der Menschheitsgeschichte“
VonBona Hyunschließen
Die Zahl an einsatzbereiten Atomsprengköpfen wächst wieder. Angesichts des Ukraine-Kriegs warnt das Friedensforschungsinstituts Sipri vor den Folgen.
Stockholm – Die Atommächte stärken angesichts des Ukraine-Kriegs und der insgesamt verschlechterten Sicherheitslage auf der Welt ihre nuklearen Arsenale. Das geht aus dem Jahresbericht des Stockholmer Friedensforschungsinstituts (Sipri) hervor, den die unabhängige Organisation am Montag (12. Juni) veröffentlichte. „Dieser verstärkte nukleare Wettbewerb hat das Risiko, dass Atomwaffen zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg im Zorn eingesetzt werden, dramatisch erhöht“, sagte Sipri-Experte Matt Korda.
Sorge um Atomwaffen: Globale Sicherheitslage laut Forscher verschlechtert
Die steigende Zahl einsatzfähiger Atomwaffen bereitet dem Institut große Sorgen. „Wir driften in einen der gefährlichsten Zeiträume der Menschheitsgeschichte ab“, sagte Sipri-Direktor Dan Smith. Er forderte, die Nukleardiplomatie wiederherzustellen und die internationalen Kontrollen von Atomwaffen zu verstärken. Insgesamt habe sich im Jahr 2022 eine anhaltende Verschlechterung der globalen Sicherheit fortgesetzt, bilanziert das Forschungsinstitut. Hintergrund sei auch der Krieg in der Ukraine, der in fast allen untersuchten Themen im Zusammenhang mit Rüstung, Abrüstung und internationaler Sicherheit sichtbar sei. Afrika aber bleibe die Region mit den meisten bewaffneten Konflikten.
Zwar ging der globale Bestand der Atomsprengköpfe demnach von Anfang 2022 bis Anfang 2023 um knapp 200 auf schätzungsweise 12.512 weiter zurück. Dafür habe die Zahl der einsatzfähigen Atomwaffen zu steigen begonnen, und zwar um 86 auf schätzungsweise 9.576. „Die globalen Reduzierungen einsatzbereiter Sprengköpfe scheinen ins Stocken geraten zu sein, und ihre Zahlen steigen wieder“, hieß es im Sipri-Bericht.
Zahl an Atomwaffen wächst: China erhöht Waffenarsenal
Einen deutlichen Zuwachs der Sprengköpfe verzeichnet der Bericht in China. Die Volksrepublik baut ihr Arsenal derzeit stark aus. Bis Ende des Jahrzehnts könnte das Land über mindestens so viele ballistische Interkontinentalraketen verfügen wie die USA oder Russland. Auch Indien und Pakistan hätten 2022 neue Arten von nuklearen Trägersystemen eingeführt und weiterentwickelt. Die indischen Waffen seien nun auf größere Reichweiten ausgelegt, einschließlich solcher, die Ziele in ganz China erreichen könnten, vermutet Sipri.
Mit Sorge verweist das Institut auf die allgemein verschärfte Rhetorik der Staaten in Bezug auf die Bedeutung von Atomwaffen. Auch Nordkorea betrachte sein militärisches Nuklearprogramm weiterhin als zentrales Element seiner Sicherheitsstrategie und hatte immer wieder Atomdrohungen ausgesprochen. Die Fachleute des Sipri-Instituts schätzen, dass das Land inzwischen etwa 30 Sprengköpfe zusammengebaut hat und über genügend spaltbares Material für bis zu 70 Sprengköpfe verfügt.
Russland und die USA verfügen zusammen über fast 90 Prozent aller Atomwaffen
Rund 2000 Sprengköpfe würden vor allem durch Russland und die USA in hoher Alarmbereitschaft gehalten. Diese lagerten entweder in Raketen montiert oder auf Luftwaffenstützpunkten, auf denen auch Atombomber stationiert seien. Laut Sipri besitzen Russland und die USA zusammen fast 90 Prozent aller Atomwaffen. Ihre Arsenale seien 2022 stabil geblieben, allerdings habe die Transparenz infolge des Ukraine-Krieges deutlich abgenommen. Auch die britische Regierung gab die Zahl der Atomwaffen 2022 nicht mehr öffentlich bekannt. (bohy/dpa)