Vorstoß aus Thüringen

Arbeitspflicht für Geflüchtete? „Menschen zu Billigst-Arbeit zu zwingen, ist Populismus“

  • Peter Sieben
    VonPeter Sieben
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Der Thüringer CDU-Landrat Christian Herrgott will Asylbewerber zur Arbeit verpflichten. Das helfe bei der Integration. Kritik bezweifeln das und fordern etwas ganz anderes.

Berlin – Eine Idee aus Thüringen sorgt bundesweit für Debatten: Der CDU-Landrat Christian Herrgott will Asylbewerber zur Arbeit verpflichten. Im Saale-Orla-Kreis sollen Geflüchtete dann vier Stunden am Tag arbeiten, für 80 Cent pro Stunde. Dabei soll es um einfache Arbeiten gehen, vor allem in ihrer Gemeinschaftsunterkunft. Wer sich weigert, dem drohen Geldkürzungen.

Flüchtlinge zur Arbeit verpflichten: „Wer in Deutschland Solidarität erfährt, muss dafür auch etwas zurückgeben“

„Es geht natürlich darum, den Flüchtlingen eine Tagesstruktur zu geben und diejenigen, die arbeiten können, auf den ersten Arbeitsmarkt perspektivisch vorzubereiten“, so Herrgott. Rückendeckung bekommt er von der Landes-CDU. Deren Chef, Mario Voigt, sagt gegenüber IPPEN.MEDIA: „Wir müssen die Botschaft aussenden: Wer in Deutschland die Solidarität der Gemeinschaft erfährt, muss dafür auch etwas zurückgeben.“ Zugleich sei die Politik von Christian Herrgott im Saale-Orla-Kreis „ein Zeichen für die notwendige Begrenzung von Zuwanderung“.

Der Vorstoß ist auch ein überregionales Signal im Wahlkampf: In wenigen Monaten sind Landtagswahlen in Thüringen und die Union will sich klar vor allem gegenüber der AfD positionieren, die dort in Umfragen derzeit stärkste Kraft ist. So schrieb etwa die Thüringer CDU-Landtagsabgeordnete Beate Meißner via X: „Apropos, was macht eigentlich dieser erste AfD-Landrat Deutschlands in Sonneberg? Nichts als heiße Luft: weder Bezahlkarte noch Arbeitsverpflichtung für Flüchtlinge! Die einen hetzen, die anderen machen.“

Verpflichtende Arbeit für Asylbewerber

Geflüchtete zu gemeinnütziger Arbeit zu verpflichten, entspricht geltendem Recht. Geregelt ist das im Asylbewerberleistungsgesetz (§ 5 Abs. 1 S. 1).

Neu am Gesetz ist seit dem 27. Februar 2024 der zweite Satz. Darin heißt es: Geflüchtete Menschen sollen Arbeitsmöglichkeiten bei staatlichen, bei kommunalen und bei gemeinnützigen Trägern bekommen, wenn das Arbeitsergebnis der Allgemeinheit dient.

All das schwingt mit, wenn CDU-Landeschef Mario Voigt sagt: „Die CDU geht voran und schafft praktische Lösungen. Wenn die Ampel im Bund und die Ramelow-Regierung im Land nicht handeln, müssen wir dort, wo wir es können, eigene Wege gehen.“ Dieselbe Konsequenz, die die CDU in den Kommunen zeige, brauche es auch auf Bundes- und Landesebene. „Christian Herrgott beweist als Landrat Handlungsfähigkeit“, so Voigt.

„Es ist absurd, eine Arbeitspflicht zu fordern, während für viele Geflüchtete bislang sogar noch Arbeitsverbote bestehen“

Gänzlich anders sieht es Filiz Polat, Migrationsexpertin der Grünen-Bundestagsfraktion. „Es ist absurd, eine Arbeitspflicht zu fordern, während für viele Geflüchtete bislang sogar noch Arbeitsverbote bestehen“, sagte sie unserer Redaktion. Menschen mit Duldungsstatus dürfen in Deutschland kein Arbeitsverhältnis eingehen. Das Verbot endet erst, wenn sie als schutzbedürftig anerkannt werden. Das kann viele Monate dauern. Asylbewerber aus sogenannten sicheren Herkunftsländern dürfen grundsätzlich nicht in Deutschland arbeiten. „Menschen, die nicht arbeiten dürfen, zu Billigst-Arbeit zu zwingen, ist Populismus. Statt auf immer mehr Zwang zu setzen, müssen diese Arbeitsverbote dringend abgeschafft und Wege über den Arbeitsmarkt in ein dauerhaftes Bleiberecht ausgebaut werden“, so Polat.

Das helfe allen: „Die Betroffenen können sich selbst versorgen und eine selbstbestimmte Perspektive aufbauen, die Unternehmen gewinnen Mitarbeitende und erhalten Planungssicherheit und die Kommunen werden entlastet“, so die Grünen-Politikerin. Es sei „völlig abstrus“, dass Deutschland weiterhin Menschen, die für ihr Auskommen sorgen könnten, zum Nichtstun verdamme.

Arbeitspflicht für Flüchtlinge: „Kommunen setzen es aus gutem Grund praktisch nicht ein“

Polat glaubt nicht daran, dass eine Arbeitspflicht bei der Integration von Geflüchteten helfe: „Was die Integration von Geflüchteten fördert, ist selbstbestimmte und ordentlich bezahlte Arbeit.“ Verpflichtende Arbeit zu niedrigen Löhnen sei indes nicht zielführend. „Kommunen haben schon jetzt die Möglichkeit, solche Arbeitsgelegenheiten anzubieten, und setzen sie aus gutem Grund praktisch nicht ein“, so Polat.

Rubriklistenbild: © Paul Zinken/dpa