Vertrauen gebrochen
„Hat sich verzockt“: Experten rechnen nach Ampel-Aus mit Lindner ab
VonPia Seitlerschließen
Christian Lindner ist gefeuert. Für das Ampel-Aus, ausgerechnet am Tag nach der US-Wahl, bekommt der Ex-Finanzminister nicht nur scharfe Kritik vom Bundeskanzler.
Am Mittwochabend (6. November) knallt es im politischen Berlin und die Ampel-Koalition platzt. Nun wird es Neuwahlen geben, vermutlich im kommenden Frühjahr. Dabei könnte die FDP jedoch an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern. Hat sich Lindner also „verzockt“, wie ein Wissenschaftler der Uni Saarland auf LinkedIn schreibt?
„Ich glaube, Lindner hatte ein Ausstiegsdrehbuch. Im Grunde genommen hat er den Rausschmiss beim Bundeskanzler bestellt“, sagt Politikberater Johannes Hillje BuzzFeed News Deutschland von IPPEN.MEDIA. Anfang November hatte der am Donnerstag entlassene Ex-Finanzminister Christian Lindner (FDP) in einem 18-seitigen Papier seine Pläne für eine „Wirtschaftswende“ vorgestellt. Ideen, die für SPD und Grüne offensichtlich nicht machbar waren und den Ampel-Koalitionsstreit weiter befeuerten.
Am Mittwoch gipfelte der Streit im Koalitionsausschuss in der Frage, ob die Schuldenbremse ausgesetzt werden soll. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) forderte das, Lindner lehnte ab. Ob bewusst provoziert, oder nicht: Das Ampel-Aus kam zu einem Zeitpunkt, als viele in Deutschland noch erschüttert auf die Wahlergebnisse der US-Wahl 2024 und Trumps Erdrutsch-Sieg blickten.
Politikberater kritisiert Lindner scharf: „Hat Parteiinteressen über das Gemeinwohl gestellt“
„Es wird Lindner für immer anhaften, dass er am Tag der Wiederwahl Donald Trumps seine parteipolitische Taktik über die Interessen Deutschlands, Europas und der NATO stellt“, glaubt der Jurist und Politikberater Maximilian Oehl. „Lindner hat in einer schweren politischen Stunde für unser Land seine Parteiinteressen über das Gemeinwohl gestellt“, sagt er BuzzFeed News Deutschland. Schließlich müssten wir als EU nach Trumps Wiederwahl womöglich den Ausfall der USA bei der Unterstützung der Ukraine kompensieren.
Nachdem er Lindner gefeuert hatte, kritisierte Scholz ihn in seiner Rede im Kanzleramt scharf. Der Ex-Finanzminister habe „zu oft Gesetze sachfremd blockiert, kleinkariert parteipolitisch taktiert“ und sein „Vertrauen zu oft gebrochen“, sagte Scholz. Oehl glaubt, Lindner hat sich „offensichtlich inhaltlich verzettelt“. Er habe „viel zu oft als FDP-Vorsitzender und viel zu selten als Finanzminister agiert“, sagt der Politikexperte. Mit seinen Blockaden habe er „seine Partei in die politische Bedeutungslosigkeit manövriert.“
„Vertrauen zu oft gebrochen“: Scholz feuert Lindner – Spitzenökonom hält das für „richtig“
Marcel Fratzscher hält das Handeln des Bundeskanzlers gegenüber dem Finanzminister für „konsequent und richtig“, sagt der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) BuzzFeed News Deutschland. „Investitionen in Sicherheit, Verteidigung und in die Wirtschaft müssen jetzt höchste Priorität haben“, fordert er.
Der Ukraine-Krieg habe einen radikalen Kurswechsel in der Wirtschafts- und Finanzpolitik erfordert, doch einzelne Minister und Parteien hätten versagt und nicht mehr zum Wohl des Volkes und im Interesse Deutschlands agiert. Dies habe viel Vertrauen zerstört, zur Schwächung der Demokratie und Stärkung populistischer Kräfte beigetragen.
Rubriklistenbild: © Kay Nietfeld/dpa