Über 100.000 Fälle betroffen?

AfD verschärft Kurs vor Bundestagswahl: Partei will Abtreibungen weitgehend einschränken

  • Felix Durach
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Die AfD stand Abtreibungen schon immer kritisch gegenüber. Vor der Bundestagswahl 2025 legt die Partei ein entsprechendes Programm vor.

Frankfurt – Die AfD hat gute Chance bei der vorgezogenen Bundestagswahl im Februar 2025 erstmals in ihrer noch jungen Geschichte zweitstärkste Kraft auf Bundesebene zu werden. In einer Forsa-Umfrage im Auftrag des Sterns lagen die Rechtspopulisten hinter der Union bei 18 Prozent und damit vor der Kanzlerpartei SPD. Auch wenn die AfD noch weit von Regierungsverantwortung entfernt ist, skizziert das Wahlprogramm der Partei dennoch die Pläne der Partei. Bei einem Punkt hat die AfD im Vergleich zu ihrem Grundsatzprogramm wohl noch einmal nachgeschärft. Dem rechts-konservativen Kernthema Abtreibungen.

Die AfD plant bei der Bundestagswahl offenbar eine Verschärfung beim Recht auf Abtreibung.

AfD will Abtreibungen deutlich einschränken – nur „absolute Ausnahmen“

Die AfD fordert in ihrem Programm unter dem Titel „Willkommenskultur für Kinder“ weitere Einschränkungen des Rechts auf Abtreibungen in Deutschland. Das berichtet der Stern und rtl/ntv, denen das Programm bereits vorliegt am Freitag. Wörtlich heißt es darin. „Beim sorgfältigen Abwägen der Interessen muss Abtreibung die absolute Ausnahme bleiben, z. B. bei kriminologischer oder medizinischer Indikation.“ Abtreibungen soll es nach Vorstellung der AfD also nur noch in besonderen Fällen, wie nach einer Vergewaltigung oder im Falle von gesundheitlichen Risiken für die Mutter geben. Ob der AfD-Plan daneben auch noch weitere Ausnahmen vorsieht, geht aus dem Programm nicht hervor.

In ihrer Begründung bezieht sich die Partei auf das Recht auf Leben als „ein fundamentales Menschenrecht“. Dieses müsse nach den Vorstellungen der AfD auch mit unkonventionellen Methoden verteidigt werden. So könne Schwangeren bei den Beratungsgesprächen unter anderem Ultraschallaufnahmen ihrer ungeborenen Kinder gezeigt werden, um sie über den Entwicklungsstand zu informieren.

Abtreibungen in Deutschland: Immer wieder Debatten über Paragraf 218

Bislang sind Abtreibungen in Deutschland nach dem Paragrafen 218 StGB verboten und werden mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder mit einer Geldstrafe bestraft. Abtreibungen bleiben aber nach Paragraf 218a StGB straffrei, wenn sie innerhalb der ersten zwölf Wochen nach der Empfängnis erfolgen und zuvor ein Beratungsgespräch stattgefunden hat.

Über die Abschaffung des grundsätzlichen Verbots von Schwangerschaftsabbrüchen wird jedoch seit Jahren gestritten. Zuletzt sorgte eine entsprechende Initiative von Abgeordneten aus SPD und Grünen für Kritik aus der Union. „Wenn wir über dieses Thema reden, dann brauchen wir dafür Zeit, dann brauchen wir dazu auch Gutachten, was verfassungsrechtlich zulässig ist“, sagte Merz und warnte vor einem Schnellverfahren vor der Bundestagswahl.

Verschärfung zum Grundsatzprogramm – AfD plant härteren Kurs bei Abtreibungen

Im Grundsatzprogramm der AfD von 2016 steht über das Thema Abtreibungen: „Die AfD steht für eine Kultur des Lebens und ist im Einklang mit der deutschen Rechtsprechung der Meinung, dass der Lebensschutz bereits beim Embryo beginnt.“ Das übergeordnete Ziel der Beratungsgespräche solle „der Schutz des ungeborenen Lebens“ sein. Finanzielle Hilfen für werdende Eltern und alleinstehenden Müttern sollten ausgebaut und Adoptionsverfahren erleichtert werden.

„Die AfD wendet sich gegen alle Versuche, Abtreibungen zu bagatellisieren, staatlicherseits zu fördern oder sie gar zu einem Menschenrecht zu erklären“, steht in dem Programm geschrieben. Von einer „absoluten Ausnahme“ war da noch nicht die Rede.

Nach Plänen der AfD: Über 100.000 Abtreibungen bald nicht mehr erlaubt?

Das Statistische Bundesamt meldete für das Jahr 2023 106.218 durchgeführte Scheingeschäftsabbrüche in Deutschland. Unter die von der AfD genannten Ausnahmefälle kriminologische und medizinische Indikation fielen dabei gerade einmal 4031 Fälle. Die verbleibenden 102.187 Schwangerschaftsabbrüche fielen unter die Beratungsregel, die im AfD-Programm zumindest nicht explizit als mögliche Ausnahme aufgeführt wird. Unklar ist, ob diese Abtreibungen nach Vorstellungen der AfD künftig nicht mehr durchgeführt werden sollen.

Abtreibungen als rechtskonservatives Kernthema – USA als Vorbild für Deutschland?

Einschränkungen für das Recht auf Abtreibungen sind bereits seit längerem ein Kernthema rechtskonservativer Strömungen. Das zeigte sich zuletzt auch in den USA, wo der mehrheitlich aus konservativen Richtern bestehende Supreme Court im Juni 2022 das Grundsatzurteil Roe v. Wade und damit das grundsätzliche Recht von Frauen, über Abbruch oder Fortführung einer Schwangerschaft zu entscheiden, kippte. Seitdem können US-Bundesstaaten selbst entscheiden, ob sie Schwangerschaftsabbrüche legalisieren wollen oder nicht. Im Wahlkampf vor der US-Wahl 2024 war das Recht auf Abtreibungen einer der Kernpunkte von Kamala Harris‘ Kandidatur.

Durch die Forderungen der AfD in ihrem Programm könnte das Thema vor der Bundestagswahl und in der kommenden Legislaturperiode wieder an Brisanz gewinnen. Eine Umsetzung der AfD-Pläne ist jedoch unwahrscheinlich, da die Partei keine realistischen Chancen auf eine Regierungsbeteiligung hat. Alle anderen Parteien im Bundestag haben eine Zusammenarbeit mit der in Teilen rechtsextremen Partei ausgeschlossen und auch die AfD bezeichnete die konservativen Unionsparteien im Wahlkampf als politischen Hauptgegner. (fd)

Rubriklistenbild: © Bernd von Jutrczenka/dpa

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