Im Munch-Museum Oslo
Viele Besucher hätten es nicht bemerkt: Winziger Schriftzug ist Höhepunkt von Munch-Ausstellung
VonPeter Siebenschließen
Das Munch-Museum in Oslo vergleicht Werke von Goya und Munch. Ganze Zyklen sind erstmals an einem Ort zu sehen. Attraktion: Ein kaum sichtbares „Schmuckstück“.
Oslo – Ein Lichtpunkt rückt die winzige Attraktion in den Mittelpunkt. Andernfalls würden die allermeisten Besucher den Schriftzug auf der Unterseite des Buches wahrscheinlich gar nicht bemerken. Dabei sei das hier nicht weniger als eine Sensation, sagt Kuratorin Trine Otte Bak Nielsen und zeigt auf die Vitrine, in dem das Buch liegt: „Das ist sicher das wertvollste Stück der Ausstellung.“
Edvard Munch und Goya in Norwegen: „Moderne Prophezeiungen“
Gemeint ist eine Buchausgabe von „Die Schrecken des Krieges“ mit Radierungen des spanischen Künstlers Francisco de Goya, die düstere Szenen aus der Zeit der napoleonischen Besatzung Spaniens zeigen. Es ist das einzige erhaltene Exemplar aus Goyas Lebzeiten. Doch die größte Besonderheit: Der Künstler hat es persönlich signiert, sein Name ist mit Bleistift quer unten über die geschlossenen Seiten geschrieben. Zu sehen ist das „Schmuckstück“, wie die Kuratorin sagt, aktuell nur in der Ausstellung „Goya und Munch – Moderne Prophezeiungen“ ab dem 28. Oktober im Munch-Museum in Norwegens Hauptstadt Oslo.
Das Museum versucht sich an einem Vergleich zweier Künstler, deren Herkunft kaum unterschiedlicher sein könnte: Francisco de Goya lebte im Spanien des 18. und frühen 19. Jahrhunderts als Abkomme eines verarmten Landadels. Edvard Munch hingegen wuchs zu einer ganz anderen Epoche am entgegengesetzten Ende Europas im norwegischen Oslo auf, wo er 1944 im Alter von 80 Jahren starb. Und doch gibt es Gemeinsamkeiten, das jedenfalls will man im Munch-Museum vermitteln.
Komplette Werkreihen an einem Ort in Oslo: „So lange Vitrinen hatten wir noch nie“
Ganz von der Hand zu weisen ist das sicher nicht, wenn man die Werke der beiden Ausnahmekünstler derart gegenübergestellt betrachtet. Ausgestellt werden in Oslo zahlreiche Werke und komplette Zyklen Goyas und Munchs aus verschiedenen Sammlungen gebündelt an einem Ort – das gab es bislang noch nie. So liegen etwa alle 80 Karten von Goyas gesellschaftskritischem Zyklus „Los Caprichos“ (Die Launen) in meterlangen Glasvitrinen. „So lange Vitrinen hatten wir hier im Museum sicher noch nicht“, sagt Trine Otte Bak Nielsen.
Ausstellung im Munch-Museum in Oslo: Bezüge zum Ukraine-Krieg
Schon früh hatte Goya mit Drucktechniken wie der sogenannten Aquatinta experimentiert, er war seiner Zeit voraus. Ähnlich wie Munch, der ebenfalls Drucktechniken nutzte. Und während der Spanier Goya schon zu Munchs Zeiten als Wegbereiter der Moderne galt, wird der Norweger als einer der wichtigsten Vorreiter des Expressionismus gesehen. Beide sind Propheten, so will es die Ausstellung andeuten – und das in doppeltem Sinne. Denn die gezeigten Werke lassen teils erschreckende Bezüge zur heutigen Zeit zu, etwa Goyas Zyklus „Die Schrecken des Krieges“, der als kompletter Satz neben der signierten Buch-Version zu sehen ist.
Goya zeigt auf den Schwarz-Weiß-Bildern Erschießungen, Vergewaltigungen und brutale Massen-Massakrierungen im Umfeld des Krieges. Im Kontrast dazu: bunte, surreal anmutende Bilder von Edvard Munch mit ähnlichem Sujet – aber bezogen auf Erfahrungen aus einem Krieg, der 100 Jahre später in Europa tobte und Spuren hinterließ. „Unwillkürlich denkt man da jetzt auch an den Ukraine-Krieg und andere moderne Kriege“, sagt die Kuratorin. Wummernde Klanginstallationen leiten die Besucher durch die nur spärlich beleuchteten Ausstellungsräume und tragen so zur insgesamt düsteren Atmosphäre bei. Zu sehen ist die Ausstellung noch bis zum 11. Februar 2024. Derweil läuft aktuell eine Munch-Ausstellung in Berlin. (pen)
Transparenzhinweis: Ippen.Media wurde von der norwegischen Botschaft in Berlin nach Oslo eingeladen.

