Bedeutendes Kunstwerk
Berühmtes Gemälde in Oslo ist immer nur für wenige Minuten sichtbar
VonPeter Siebenschließen
„Der Schrei“ von Edvard Munch ist das berühmteste Kunstwerk Norwegens – von dem es gleich mehrere Versionen gibt. Die hängen in einem speziellen Ausstellungsraum, der sie gleich doppelt schützt.
Oslo – Steile Rolltreppen führen zum Allerheiligsten: In der vierten Etage ist das, was alle sehen wollen, wenn sie das neue Munch-Museum in Oslo besuchen. Denn dort hängt „Der Schrei“ von Edvard Munch – manche nennen das ikonische Werk gar die „Mona Lisa Norwegens“. Dabei gibt es gleich mehrere Versionen des berühmten Bildes, das eine stilisierte menschliche Figur mit angstvoll geweiteten Augen und aufgerissenem Mund zeigt. Drei von ihnen hängen im Munch-Museum in Norwegens Hauptstadt Oslo. Jedes der Bilder ist immer nur für kurze Zeit zu sehen – dann verschwindet es hinter einer Wand und der Blick wird frei auf eine der anderen Versionen. Einerseits sorgt das für einen gewissen Showeffekt in der Dauerausstellung – andererseits steckt dahinter ein ernsthafter Grund.
„Der Schrei“ von Edvard Munch
Insgesamt gibt es vier Gemälde und eine Lithographie vom norwegischen Künstler Edvard Munch (lebte zwischen 1863 und 1944), die das Motiv „Der Schrei“ zeigen.
Die Bilder sind zwischen 1893 und 1910 entstanden und ähneln sich: Sie alle zeigen eine stilisierte menschliche Figur, die die Hände zum Kopf erhoben hat und mit weit aufgerissenem Mund zu schreien scheint.
Munch gilt als Vorreiter des Expressionismus in der Malerei und sein Werk „Der Schrei“ als besonders prägnantes Beispiel dafür.
Edvard Munch: „Der Schrei“ in Oslo braucht so viel Dunkelheit wie möglich
„Wenn wir das nicht machen würden, dann würden die Bilder irgendwann verschwinden“, erklärt Kuratorin Trine Otte Bak Nielsen. Die wahrscheinlich berühmtesten norwegischen Kunstwerke befanden vor wenigen Jahren noch in der alten Munch-Sammlung, etwas außerhalb der Stadt. Nach langen Planungen wurde in den 2010er Jahren dann das neue Museum errichtet. Der graue Bau – viel Glas, viel Aluminiumblech – hatte für erbitterte Debatten über Sinn und Unsinn des Projekts gesorgt. Das Munch-Museum war so etwas wie die Elbphilharmonie von Oslo. Doch wie die Hamburger inzwischen ihre Oper lieben, sind die meisten Osloer jetzt ziemlich happy mit dem Gebäude. Die Oper und die Deichman-Bibliothek, die als eine der besten der Welt gilt, liegen gleich um die Ecke. Es ist ein Kulturzentrum mitten im ehemaligen Brennpunktviertel am Hafen entstanden, das sich zum schicken Szene- und Kulturquartier namens Bjørvika gemausert hat und internationales Publikum zieht.
Bei der großen Eröffnung Ende 2021 war klar: Anders als im alten Museum, wo „Der Schrei“ nur selten aus dem Lager geholt wurde, will man die drei Bilder dauerhaft in der Ausstellung zeigen. Aber: Die Bilder sind extrem lichtempfindlich. Munch hatte teilweise mit Öl, Temperafarbe und Kreide auf Pappe gemalt, die Bilder sind sehr fragil. „Wir haben im Labor auf Mikroebene für die einzelnen Farbpigmente ausrechnen lassen, wie lange man die Bilder Licht aussetzen darf, bevor sie Schaden nehmen“, sagt Trine Otte Bak Nielsen. Das Ergebnis: Nicht länger als 30 Minuten am Stück, danach brauchen die Schreie wieder ihre Dunkelheit.
Diebstahl von „Der Schrei“ sorgte für Trauma in Norwegens Kulturwelt
Deshalb hängen die Bilder nun in einer Spezialkonstruktion: Eine Art abgedunkelter Raum mitten im großen Saal in der vierten Etage des Museums. Dort tummeln sich dann die obligatorischen Selfie-Jäger vor einem der Bilder. Die sehr spezielle Ausstellungsmethode erfüllt noch einen weiteren Zweck: Die Bilder sind zusätzlich gegen Diebstahl gesichert. Zweimal wurden Munch-Bilder gestohlen, in den Jahren 1994 und 2004. Beide Male konnten die Versionen von „Der Schrei“ zurückgebracht werden, doch Norwegens Kulturwelt hat ein Trauma davongetragen. Das könne nie wieder passieren, sagt eine Sprecherin des Museums: „Niemand wird mit einem der Bilder hier rauskommen“. (pen)
Transparenzhinweis: Ippen.Media wurde von der norwegischen Botschaft in Berlin nach Oslo eingeladen.

