Bundestagswahl 2025
Neues Wahlrecht: Nicht alle Wahlkreissieger in Hessen könnten im Bundestag landen
- VonPaul Eisbachschließen
Wahlrechtsreform bei der Bundestagswahl: Wahlkreissieger in Hessen könnten trotz Gewinn des Direktmandats keinen Sitz im Bundestag erhalten.
Hessen – Am kommenden Sonntag (23. Februar) ist Bundestagswahl. In Hessen wird in 22 Wahlkreisen jeweils ein Direktmandat vergeben. Die Wahlkreissieger werden über die Erststimmen der Wählerinnen und Wähler ermittelt. Aufgrund der jüngsten Wahlrechtsreform könnte es jedoch dazu kommen, dass nicht alle Wahlkreissieger automatisch in den Bundestag einziehen. In Hessen könnten sechs Wahlkreise von dieser Neuerung betroffen sein.
Bundestagswahl in Hessen: keine Überhangmandate mehr
Doch von vorne: Für Politiker gibt es in Deutschland zwei Wege, um in den Bundestag einzuziehen: über ein Direktmandat oder über die Landesliste. Jede Partei legt in ihre Landesliste fest, in welcher Reihenfolge ihre Kandidaten in den Bundestag einziehen. Die Anzahl der Kandidaten, die es von der Landesliste in den Bundestag schaffen, hängt von der Anzahl der gewonnenen Zweitstimmen ab. So wird ermittelt, wie stark eine Partei insgesamt im Bundestag vertreten ist.
Der zweite Weg, um als Kandidatin oder Kandidat in den Bundestag zu gelangen, führt über die Direktmandate der jeweiligen Wahlkreise. Die Wahlkreissieger werden über die Erststimmen der Wählerinnen und Wähler ermittelt. Gewinnt ein Kandidat in seinem Wahlkreis das Direktmandat, hat er oder sie gute Chancen in den Bundestag einzuziehen – eine Garantie gibt es seit der Wahlrechtsreform 2023 jedoch nicht mehr.
Mit der Wahlrechtsreform der Ampel-Regierung wurde die Größe des Bundestages auf 630 Sitze festgelegt. Eine wesentliche Änderung betrifft die sogenannten Überhang- und Ausgleichsmandate: Künftig ziehen nur noch diejenigen Direktkandidatinnen und -kandidaten in den Bundestag ein, deren Parteianteil an Zweitstimmen die Anzahl ihrer gewonnenen Direktmandate deckt. Fehlt diese Zweitstimmendeckung, kann es passieren, dass ein Wahlkreissieger keinen Sitz im Parlament erhält. Somit ist ab dieser Wahl ein guter Listenplatz auch für jene Kandidaten wichtig, die eine Chance auf ein Direktmandat haben.
Diejenigen, die innerhalb Hessens das relativ betrachtet schlechteste Ergebnis erzielen, gehen dann leer aus, wenn die Liste ihrer Partei nicht genügend Zweitstimmen erhalten hat. Schwieriger wird es vor allem für die Kandidaten in den Großstädten in Hessen, da sich die Stimmen dort zwischen CDU, SPD und Grünen aufteilen, die Erststimmenergebnisse also jeweils eher niedrig ausfallen.
Direktmandate in Hessen bleiben nach Bundestagswahl möglicherweise unbesetzt
Prognosen des Instituts INSA und des Onlineportals Zweitstimme.org deuten darauf hin, dass in Hessen sechs Wahlkreise von dieser Regelung direkt betroffen sein könnten. Es besteht die Möglichkeit, dass die jeweiligen Kandidaten, die dort ihren Wahlkreis gewinnen, dennoch nicht in den Bundestag einziehen, falls ihre Partei nicht genügend Zweitstimmen erhält.
In Südhessen könnten laut INSA-Wahlkreiskarte die Wahlkreise Wiesbaden (186), Darmstadt (185) und Groß-Gerau (183) betroffen sein. Anhand der Erststimmenprognose von Zweitstimme.org liegt in Wiesbaden Dr. Stefan Korbach (CDU) im Rennen um das Direktmandat vorne. Allerdings wird er laut Umfragen mit einer Wahrscheinlichkeit von 56 Prozent trotzdem nicht in den Bundestag einziehen.
In Darmstadt führt Dr. Astrid Mannes (CDU) in den Umfragen, doch auch sie wird mit 55 Prozent Wahrscheinlichkeit trotz gewonnenen Direktmandates keinen Sitz im Bundestag ergattern. Im Wahlkreis Groß-Gerau liegt Marcus Kretschmann (CDU) vorne. Mit 25-prozentiger Wahrscheinlichkeit wird auch er auf einen Platz im Bundestag verzichten müssen.
Wahlkreise in Hessen von Wahlrechtsreform möglicherweise direkt betroffen
In Nordhessen könnte die Wahlrechtsreform die Direktmandate der Wahlkreise Kassel (167), Werra-Meißner – Hersfeld Rotenburg (168) sowie Schwalm-Eder (169) betreffen. Allerdings fallen hier die Wahrscheinlichkeiten laut Zweitstimme.org im Schnitt etwas günstiger im Sinne der Kandidaten aus.
In Kassel führt derzeit Daniel Bettermann (SPD) in den Umfragen. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 21 Prozent wird er trotz eines Wahlsieges nicht in den Bundestag einziehen dürfen. In Werra-Meißner – Hersfeld Rotenburg liegt Daniel Iliev (SPD) vorne. Mit 26-prozentiger Wahrscheinlichkeit bleibt das Direktmandat jedoch unbesetzt. Den Wahlkreis Schwalm-Eder wird laut Umfragen Philipp Rottwilm (SPD) gewinnen. Mit 36-prozentiger Wahrscheinlichkeit wird auch er auf einen Sitz im Parlament verzichten müssen. (Paul Eisbach)
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