Birthday Bash
Haftbefehl in der Jahrhunderthalle: Wie eine Lambofahrt durch Haftis Leben
- VonJulius Fastnachtschließen
Tracks von früher, fast vergessene Freunde, ein paar Batzen Bares: Zu seinem 38. Geburtstag rast Frankfurt mit Haftbefehl über die Autobahn seiner Karriere.
Frankfurt – Noch eine Stunde bis zur Show, und Haftbefehl taucht auf. Die Fans schlängeln sich hunderte Meter über den Asphalt vor der Jahrhunderthalle. Gleich wollen sie mit dem Rapper in seinen 38. Geburtstag feiern. Plötzlich fährt ein oranger Lamborghini vor, so erzählen es später die Menschen im Foyer, darin der Star des Abends: Haftbefehl, der ein paar Selfies schießt – und wieder verschwindet. Ein Vorgeschmack auf den Ritt, der folgt.
Drei Stunden Haftbefehl-Show in der Jahrhunderthalle Frankfurt
In weißer Hose und Bomberjacke positioniert sich Haftbefehl um kurz vor zehn auf der Bühne. Er wirft den Motor an, startet die Fahrt durch seine Karriere, die jetzt schon 13 Jahre dauert. „Ich spiele heute drei Stunden Show, habt ihr Bock“, schreit er ins Publikum. In „1999“ nimmt Haftbefehl mit in seine dunkle Jugend im Offenbacher Mainpark, geprägt von einer Enge, die ihn fast erstickte. Rote Wolken und eine glühende Frankfurter Skyline erleuchten den Künstler auf seinem Trip in die Vergangenheit, Flammen schießen in die Jahrhunderthalle.
Bei „Schmeiß den Gasherd an“ gibt der Mann des Abends einen Eindruck davon, wie er versuchte, zu entkommen: Mit Drogengeschäften nämlich, wegen denen er längere Zeit auf der Flucht verbrachte, versteckt in stickigen Zimmern in Amsterdam und Istanbul. „Ich nehm‘ dir alles weg/ Die Schlüssel zu deinem Haus/ Die Bitch, die du liebst/ Den Mercedes, den du fährst“, beschreibt Haftbefehl ein düsteres Lebensgefühl.
Doch Haftbefehls Lambo verlässt die Gassen seiner jungen Jahre, nimmt überraschende Abkürzungen: Ein orientalisches Interlude entführt in eine andere Welt, die Fans dürfen zu Nirvana singen, und dann auch noch Oasis anstimmen: An seiner Geburtstagsparty bestimmt eben Hafti, was der DJ spielt.
Haftbefehl: Vom Talent zum Renn-Dominator
Er wechselt das Outfit, trägt auf einmal Goldkette und Lederjacke. Immer wieder öffnet Haftbefehl die Beifahrertür und Wegbegleiter springen für ein paar Songs ins Auto: „Frankfurt am Main ist nicht Miami Vice, aber wir sind im 80er-Film“, singt sein Bruder Capo, selbst erfolgreicher Produzent und Musiker. „Ich wünsche mir ein Album mit ihm“, kommentiert Haftbefehl, „aber der Typ sieht so gut aus.“ In den Ledersitzen von seinem Wagen fläzen sich irgendwann auch Farid Bang, Chartstürmer Nimo, Soufian aus Offenbach, den er einst selbst entdeckte: Haftbefehl hat sich gemausert, vom Talent der frühen 2010er zum Renn-Dominator. Und jetzt zum Mäzen, der in seiner Autowerkstatt die Boliden der Zukunft formt.
Rauchwölkchen steigen auf in der Luft der Jahrhunderthalle. Zu Zeiten von Haftbefehls Debüt-Album „Azzlack Stereotyp“ (2010) wäre das wohl noch Cannabis-Dampf gewesen, mittlerweile wahrscheinlich Wasser aus den Vapern, die Haftbefehl mit einer eigenen Linie vertreibt. Und auch der Rapper selbst zeigt sich euphorisiert: „Ich war fünf Monate trocken, heute trinke ich zum ersten Mal wieder. Ich darf das, ich hab‘ doch Geburtstag“, ruft er in die Halle.
Haftbefehl schmeißt 10.000 Euro ins Publikum in der Jahrhunderthalle Frankfurt
Haftbefehl kämpft noch immer, nur anders als früher. Vor ein paar Jahren landete er mal in einer Darmstädter Notaufnahme, weil er sich mit einer Pistole in die eigene Wade gefeuert hatte. Letztes Jahr musste er sogar eine Tour absagen, Videoschnipsel kursierten, auf denen er von einer Mannheimer Bühne schwankte. Sein Körper brauche eine Pause, von der er noch nicht wisse, wie lange sie gehe, verkündete er damals. Und doch ist da etwas Neues, das in Haftis Leben getreten ist: seine Kinder.
In der Jahrhunderthalle tippt Haftbefehl aufs Gaspedal, reist das Lenkrad herum, und plötzlich steht Marteria auf der Bühne. „Papa war ein Rolling Stone“, performt das Duo, ein Stück, das die beiden ihren Kleinen widmen: „Nie wieder Depressionen, Richtung Million/ Babo Noah, Papa war ein Rolling Stone/ Bevor du geboren wurdest, war mein Leben 'ne Illusion“, reflektiert Haftbefehl. Am Ende holt er Sohn Noah sogar auf die Bühne, setzt ihn auf die Schultern von Onkel Capo.
Kein Wunder, dass den Menschen auf einmal die Scheine entgegen flattern: „Ich bin gerade emotional geworden und habe 5.000 Euro ins Publikum geworfen, kann ich die wieder haben?“, fragt Haftbefehl. Ganz so ernst ist das wohl nicht gemeint, scheinbar fliegen noch weitere Batzen mit Bargeld. „10.000 Euro von Baba Haft zu Weihnachten ist doch geil, oder?“, fragt der Mann, der um Punkt Mitternacht auch noch eine Geburtstagstorte serviert bekommt. Cruise-Control kann Haftbefehls Motor nicht, nur Vollgas – und das macht Spaß. (von Julius Fastnacht)