Flut mit über 200 Toten

Gegen den Schlamm: Spanien nach dem verheerenden Unwetter

  • VonJudith Finsterbusch
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Drei Wochen nach der Flutkatastrophe in Valencia arbeiten Tausende von Helfern unermüdlich, um die verheerenden Folgen zu bekämpfen. Die Herausforderungen sind jedoch gewaltig und die Zeit drängt.

Valencia - Seit dem verheerenden Unwetter in Spanien sind 3 Wochen vergangen, am 29. Oktober 2024 verwüstete die Dana-Flutkatastrophe vor allem die Provinz Valencia im Osten des Landes. Die offizielle Zahl der Todesopfer gibt die spanische Regierung mit 227 an, wobei 219 davon allein in Valencia zu beklagen sind. Die Aufräum- und Reinigungsarbeiten werden noch Monate in Anspruch nehmen. Derzeit sind 1.280 Feuerwehrleute, 8.500 Soldaten, 800 Freiwillige des Zivilschutzes, über 9.700 Polizisten und zahlreiche ehrenamtliche Helfer im Einsatz. Die Suche nach weiteren Leichen, insbesondere in den Flüssen und im See Albufera, geht weiter. 13 Menschen werden noch vermisst. Laut der Notfallzentrale von Valencia wurden bereits 75.000 Tonnen Müll entsorgt und 130 Lastwagen sind ausschließlich mit der Beseitigung von Schlamm beschäftigt.

Unwetter-Katastrophe in Spanien: Valencia kämpft gegen tonnenweise Schlamm

Denn als das Wasser nach dem Unwetter zurückging, blieb der Schlamm zurück. Freiwillige und professionelle Helfer schaufeln und spritzen seit 3 Wochen tonnenweise Schlamm aus Häusern, Geschäften und von Straßen in den Gemeinden der Provinz Valencia, die von der Flutkatastrophe am 29. Oktober betroffen sind. Eimer um Eimer, Lkw um Lkw. Während die umfangreichen Reinigungsarbeiten auf den Straßen langsam Wirkung zeigen, entsteht darunter ein riesiges, braunes Problem.

In mindestens 34 von der Flut betroffenen Gemeinden ist die Kanalisation laut dem spanischen Umweltministerium schwer beschädigt. Die Regierung hat bereits zusätzlich zu dem Milliarden-Hilfspaket für das Katastrophengebiet allein für die Reparatur von Trink-, Ab- und Regenwassersystemen weitere 500 Millionen Euro angekündigt. Während in den meisten Haushalten der Betroffenen das Leitungswasser wieder fließt, bereitet vor allem das Abwassernetz Sorgen: Die Systeme sind verstopft oder kaputt, der Schlamm trocknet zusammen mit Schilf, Plastik und anderem Müll zu einer harten Masse, defekte Sammelbecken müssen dringend ersetzt werden. Arbeiter spülen die Kanalisation da, wo es geht, bereits durch, um das Trocknen zu verhindern, die Säuberung von Gullys und Leitungen läuft auf Hochtouren.

Angst vor neuer Flut in Spanien: 3 Wochen nach dem Unwetter bereitet die Kanalisation Probleme

Bei neuen starken Regenfällen – die nächste Dana verlief vergangene Woche in Valencia trotz mitunter heftiger Schauer vergleichsweise glimpflich – kann das Wasser also nicht abfließen. Und wenn die Kollektoren verstopft sind, kann das Schmutzwasser aus den Häusern nicht abgepumpt werden. Sprich: „Das Abwasser käme aus den Toiletten wieder hoch. Wir hätten Zustände wie in Entwicklungsländern, mit dem dazugehörigen Gesundheitsrisiko“, so Enrique Cabrera, Vizepräsident der International Water Association gegenüber der spanischen Zeitung „Levante EMV“.

3 Wochen nach dem Unwetter dauern die Aufräumarbeiten in Valencia an.

Dass es so weit kommen könnte, wäre aber der absolute Extremfall, so Cabrera weiter. In jedem Fall sind umfassende Reparaturen in der Kanalisation nach der Unwetter-Katastrophe dringend nötig – Arbeiten, die nach Schätzungen von Experten länger als ein Jahr dauern könnten und teurer werden dürften als die angekündigten 500 Millionen Euro der spanischen Regierung.

Wohin mit dem Schlamm nach der Unwetter-Katastrophe in Spanien?

Der Schlamm in Valencia, es sollen insgesamt zwischen vier und fünf Millionen Kubikmeter sein, ist im Katastrophengebiet ein riesiges Problem. Wohin mit den ganzen Lkw-Ladungen? Verlassene Steinbrüche sind zur Ablagerung im Gespräch, das könnte auch funktionieren, sofern es sich um saubere Erde etwa von den Feldern handelt. Doch ein Teil der stinkenden braunen Masse ist kontaminiert, sei es mit Fäkalien oder Abfällen aus der Industrie.

Der Kontakt mit diesen Überresten ist auch für die Helfer nach der Flutkatastrophe ein Problem, zwei Verdachtsfälle auf die gefährliche Infektionskrankheit Leptospirose bestätigten sich in Valencia zwar nicht. Doch das Gesundheitsrisiko für Helfer wie Bewohner ist real, die valencianische Gesundheitsbehörde verschickte bereits per SMS Hinweise an die Bevölkerung, dass sie sich bei den Aufräumarbeiten mit Masken und Handschuhen schützen und bei Schnitt- und anderen Wunden sofort einen Arzt aufsuchen soll.

Suche nach Leichen dauert 3 Wochen nach Unwetter-Katastrophe in Spanien weiter an

Parallel zu den Aufräumarbeiten läuft auch die fieberhafte Suche nach weiteren Leichen weiter. Vor einer Woche wurden die leblosen Körper zweier Kinder im Alter von drei und fünf Jahren aus der Gemeinde Torrent geborgen. Die beiden Jungen hatten am Tag der Flutkatastrophe mit ihrem Vater zu Hause gespielt, als die Flutwelle durch die Wohnung rauschte und die beiden Kleinkinder mitriss. Während der Vater sich an einen Baum klammern konnte und Stunden später gerettet wurde, kam für seine Söhne jede Hilfe zu spät. Die Zahl der Todesopfer in Spanien gibt die Regierung jetzt mit 227 in ganz Spanien an, 219 davon in Valencia, sieben in Kastilien-La Mancha und ein Todesfall in Andalusien. 13 Menschen gelten im Katastrophengebiet noch immer als vermisst.

Das Ausmaß dieser Sintflut ist nur schwer zu begreifen, die ersten Zahlen, die dabei helfen sollen, sind schwindelerregend. So erstreckt sich das betroffene Gebiet in Valencia auf einer Fläche von 450.000 Hektar und 75 Gemeinden. Das sind von der Größenordnung her alle Balearen-Inseln zusammen. 25.000 Hektar wurden komplett überschwemmt, das entspricht 50.000 Fußballfeldern.

Unfassbares Ausmaß der Unwetter-Katastrophe in Spanien: Rekord-Regen in Valencia

2.500 Tonnen Müll werden täglich aus den Gemeinden gebracht, 520 Mitarbeiter des valencianischen Landesumweltministeriums sind allein mit der Abfall-Entsorgung in den Katastrophengebieten beschäftigt. Über 4.000 Tierkadaver wurden geborgen. 136.000 Schäden wurden bislang beim Versicherungs-Konsortium gemeldet, davon allein 80.000 Fahrzeuge. Und noch etwas Statistik: Ein Dana-Unwetter dieses Ausmaßes, sind sich Experten sicher, kommt nur alle 1.000 bis 3.000 Jahre vor – Gott sei Dank.

Bilder der Verwüstung aus Valencia: Das Katastrophengebiet nach dem verheerenden Unwetter

Auf einer Straße stapeln sich nach einem Unwetter Autos
Bilder der Zerstörung: Mehre Gemeinden im Großraum Valencia wurden bei dem Unwetter überschwemmt. © Manuel Bruque/EFE
Ein Soldat lehnt an der Tür eines Einsatzfahrzeugs.
Die Rettungsarbeiten nach dem Unwetter dauern im Großraum Valencia weiter an. Im Einsatz ist auch die Katastropheneinheit UME des spanischen Militärs. © Miguel Ángel Polo/EFE
Eine Zugbrücke in einem überschwemmten Gebiet
Nach dem verheerenden Unwetter in Spanien fahren bei Valencia weiterhin keine Züge, viele Gleise sind beschädigt oder überschwemmt. © Manuel Bruque/EFE
eine frau steht auf einer überschwemmten straße
Anwohner der betroffenen Gebiete in Spanien räumen in ihren zerstörten Häusern und Straßen nach dem Unwetter auf. © Manuel Bruque/EFE
Ein Feuerwehr seilt sich von einem Hubschrauber aus über einem überschwemmten Gebiet ab
Auch die Feuerwehr aus Alicante beteiligt sich an den Rettungsarbeiten nach dem Unwetter in Valencia. Über 70 Personen wurden am Dienstag mit Hubschraubern gerettet. © Bomberos Diputación Alicante/Provinzfeuerwehr
Ein Feuerwehrmann trägt eine alte Frau auf dem Rücken über eine schlammige Straße
Die Rettungskräfte sind in Valencia und Umgebung im Dauereinsatz. © Bomberos Diputación Alicante/Provinzfeuerwehr
Luftbild eines überschwemmten Gebiets
Weite Teile der Provinz Valencia sind nach dem verheerenden Unwetter überschwemmt © Bomberos Diputación Alicante/Provinzfeuerwehr
Eine Frau schiebt nach einem Unwetter Schlamm aus einem Geschäft
Anwohner der betroffenen Gebiete in Spanien räumen in ihren zerstörten Häusern und Straßen nach dem Unwetter auf. © Manuel Bruque/EFE
Ein zerstörtes Dorf nach einem Unwetter
Ganze Gemeinden wurden bei dem Unwetter in Spanien zerstört. © Alberto Saiz/dpa
Nach einem Unwetter stapeln sich Autos auf einer Straße
Noch immer sind etliche Straßen rund um Valencia nach dem verheerenden Unwetter gesperrt. © Rober Solsona/dpa
Auf einer Autobahn stehen nach einem Unwetter etliche Lkw und Pkw
Noch immer sind etliche Straßen rund um Valencia nach dem verheerenden Unwetter gesperrt, darunter die Autobahnen 3 und 7. © Manu Fernandez/dpa
Menschen räumen nach einem Unwetter auf einer schlammigen Straße auf
Anwohner der betroffenen Gebiete in Spanien räumen in ihren zerstörten Häusern und Straßen nach dem Unwetter auf. © Alberto Saiz/dpa
Polizisten und Feuerwehrleute stehen auf einer überschwemmten Straße
Auch die Rettungskräfte sind angesichts der Zerstörung nach dem verheerenden Unwetter in Valencia fassungslos. © Alberto Saiz/dpa
Anwohner trösten sich nach einem Unwetter auf einer überschwemmten Straße
Noch immer werden unzählige Menschen nach dem Unwetter bei Valencia vermisst.  © Alberto Saiz/dpa

In der Gemeinde Turís etwa registrierte die Regenmessstation am 29. Oktober 185 Liter pro Quadratmeter allein zwischen 15.30 und 16.30 Uhr (das ist ein historischer Spanien-Rekord), auf den ganzen Tag verteilt waren es 772 Liter. Der Wasserstrom im Barranco de Poyo erreichte gegen 19 Uhr Spitzengeschwindigkeiten von 2.282 Kubikmetern pro Sekunde, danach funktionierte der Sensor nicht mehr. Und die Bevölkerung war zu dem Zeitpunkt immer noch nicht offiziell gewarnt worden - anders als vergangene Woche in Málaga, wo Politik und Bevölkerung umgehend auf die Unwetter-Warnung des spanischen Wetterdienstes reagierten. Über 4.000 Menschen wurden vorsorglich in Sicherheit gebracht.

Finanzielle Schäden nach Unwetter in Spanien: Schätzungen gehen in die Milliarden

Mit sinkenden Wasserständen lassen sich so langsam auch die finanziellen Schäden nach dem Unwetter beziffern. Allein mindestens 23.000 Unternehmen sind von der Flut betroffen, die Industrie- und Handelskammer von Valencia rechnet mit Schäden von knapp 22 Milliarden Euro. Das Valencianische Institut für Wirtschaftsforschung (Ivie) geht von 28 Milliarden Euro aus.

Bei all den Katastrophenmeldungen gibt es 3 Wochen nach der Flutkatastrophe aber auch positive Nachrichten, vor allem von den Straßen und Schienen, wo der Wiederaufbau erstaunlich schnell vonstattengeht. Von den 160 Kilometern beschädigter Straßenabschnitte, die in die Zuständigkeit des spanischen Verkehrsministeriums fallen, sind bereits 139 wieder hergerichtet. Auf den Autobahnen V-30, V-31 und A-3 sowie der Nationalstraße N-330 zwischen Utiel und Talayuelas rollt der Verkehr bereits wieder, der provisorische Fahrstreifen, der in aller Eile gebaut wird, um die eingestürzte Brücke auf der A-7 bei Quart del Poblet zu ersetzen, ist ebenfalls schon in Betrieb.

Gute Nachrichten nach dem Unwetter in Spanien: Züge fahren wieder in Valencia

Die für Pendler wichtigen Nahverkehrszüge zwischen Gandía und Valencia fahren auch wieder, den letzten Teil der Strecke ab Silla bis in die Landeshauptstadt übernehmen wegen der Gleisschäden noch Ersatzbusse, ebenso auf der Strecke zwischen Valencia und Carcaixent. Die am schlimmsten beschädigte Linie C3 von Utiel nach Valencia wird komplett über Busse bedient.

Die AVE-Schnellzüge fahren ebenfalls wieder zwischen Madrid und Valencia. Auf den ersten Fahrten beförderten die Waggons nicht nur Passagiere, sondern auch Hilfsmaterial aus der Hauptstadt fürs Rote Kreuz. Denn helfende Hände und Spenden werden wohl noch sehr lange gebraucht werden im Katastrophengebiet.

Rubriklistenbild: © Eduardo Manzana/dpa

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