Wissenschaft im Erdorbit
Internationale Raumstation ISS: „Die komplexeste, wertvollste und unwahrscheinlichste Maschine“ ist 25
VonTanja Bannerschließen
Auf der ISS gibt es Grund zum Feiern: Vor 25 Jahren wurde mit dem ersten Modul der „Grundstein“ im Erdorbit gelegt. Die Zukunft der ISS sieht wenig rosig aus.
Baikonur – Erst im November 2020 konnte die Internationale Raumstation (ISS) ihren 20. „Geburtstag“ feiern, am 20. November 2023 ist es bereits der 25. Jahrestag. Wie das geht? Es werden zwei unterschiedliche Anlässe zum Feiern hergenommen: Am 2. November 2000 erreichte die erste Langzeitcrew die ISS – seit diesem Tag ist die Raumstation im Erdorbit dauerhaft von Menschen bewohnt. Der 25. Jahrestag, der am 20. November 2023 gefeiert wird, nimmt sozusagen die „Grundsteinlegung“ zum Anlass: Am 20. November 1998 ist mit dem russischen „Sarja“ das erste ISS-Modul mit einer Rakete ins Weltall gestartet.
Nur zwei Wochen später schickten die USA mit einem Space Shuttle den Verbindungsknoten „Unity“ hinterher, der mit „Sarja“ verbunden wurde. Es war der Anfang einer schier unglaublichen Geschichte: 15 Länder (USA, Russland, Japan, Kanada und 11 Esa-Nationen) bauten gemeinsam in der Erdumlaufbahn eine Raumstation auf, die bis heute existiert. Die internationale Zusammenarbeit an Bord funktioniert.
Astronaut Gerst nennt die ISS die „die komplexeste, wertvollste und unwahrscheinlichste Maschine“
Der deutsche Astronaut Alexander Gerst, der die ISS bereits zweimal besucht hat, nannte die Raumstation auf X (ehemals Twitter) „die komplexeste, wertvollste und unwahrscheinlichste Maschine, die die Menschheit jemals gebaut hat – zum Wohle aller“. Der Astronaut ist der Meinung: „Wenn wir über Kontinente so zusammenarbeiten können, dann können wir noch viel mehr erreichen. Wir müssen es nur versuchen.“
Tatsächlich hat die ISS bislang allen politischen Widrigkeiten auf der Erde getrotzt. Sogar während des Ukraine-Kriegs auf der Erde geht die Zusammenarbeit mit Russland im Weltall weiter – wenn auch nicht ganz ohne Störgeräusche. Russland plant bereits laut eine neue, eigene Raumstation, ist bislang jedoch noch an der ISS beteiligt. Regelmäßig fliegen russische „Sojus“-Raumkapseln zur Raumstation und befördern sowohl russische als auch amerikanische Astronautinnen und Astronauten. Umgekehrt transportieren die amerikanischen „Crew Dragon“-Kapseln auch russische Raumfahrende.
Auch Touristen besuchen die Internationale Raumstation gelegentlich
Sogar Touristen sind in den vergangenen Jahren gelegentlich zur ISS gereist und konnten von Bord der Raumstation die Erde von oben bewundern. Doch in erster Linie ist die Raumstation für wissenschaftliche Experimente und internationale Zusammenarbeit gedacht. So werden in der Schwerelosigkeit des Weltalls Experimente durchgeführt, die auf der Erde nicht oder nur schwer möglich sind. Aber auch die Auswirkungen der Raumfahrt auf den menschlichen Körper werden erforscht.
Erst kürzlich hat ein Forschungsteam erstmals Mäuse-Embryonen auf der ISS gezüchtet, um zu erforschen, ob Fortpflanzung in der Schwerelosigkeit möglich ist. Das ist derzeit zwar kaum ein Thema, könnte in Zukunft jedoch relevant werden. Dann sollen Menschen nämlich nicht nur für einige Wochen oder Monate im All leben, sondern durchaus auch längere Zeiten und an weit entfernten Orten. In einer Mars-Kolonie beispielsweise oder in einer Forschungsstation auf dem Mond. Die ISS ist so gesehen nur ein erster Schritt auf dem Weg ins Weltall.
Wie wirken sich Raumfahrt und Schwerelosigkeit auf den Menschen aus?
Dort wird neben wichtiger Forschung in den Bereichen Medizin, Physik oder Biologie auch relevante Forschung für das künftige Leben von Menschen im Weltall betrieben. Wie wirkt sich die dauerhafte Schwerelosigkeit auf den menschlichen Körper aus? Welche Belastungen können Menschen im Weltall auf Dauer aushalten? Gemeint sind damit nicht nur körperliche Auswirkungen der Schwerkraft wie der Muskelschwund oder Effekte auf das menschliche Gehirn. Auch psychische Faktoren spielen eine Rolle.
Genau wie Menschen kann auch Material nicht jeder Belastung unendlich lange standhalten. Dafür ist die ISS ein gutes Beispiel: Nach 25 Jahren im Weltall hat die Raumstation immer wieder mit Problemen zu kämpfen. „Zweifellos ist nichts für die Ewigkeit. Die Station wird alt“, sagte der Chef der russischen Raumfahrtbehörde Roskosmos, Juri Borissow, erst kürzlich angesichts des Jubiläums. Er ist sich sicher: Rund 80 Prozent der russischen Ausrüstung an Bord der ISS hat die „garantierte Höchstlebensdauer“ erreicht. Tatsächlich sorgen vor allem russische Teile in letzter Zeit immer wieder für Probleme.
| Die wichtigsten Raumstationen | |
|---|---|
| mehrere Saljut-Stationen (Sowjetunion) | 1971-1991 |
| Skylab (USA/Nasa) | 1973/1974 |
| Mir (Sowjetunion/Russland) | 1986-2001 |
| ISS (USA/Esa, Japan, Kanada, Russland) | seit 1998 |
| Tiangong 1 (China) | 2011-2018 |
| CSS (China) | seit 2022 |
ISS wird keine direkte Nachfolge-Raumstation bekommen
Eine Nachfolgerin für die ISS wird es jedoch nicht direkt geben. Bis 2031 wird die Raumstation abgeschaltet und zum kontrollierten Absturz gebracht. Nachfolgen sollen kleinere Raumstationen, die von privaten Firmen, aber auch einzelnen Staaten betrieben werden können. Private Unternehmen haben Pläne, im aktuellen Jahrzehnt eigene Raumstationen zu eröffnen. Auch Weltraum-Hotels sind geplant.
Während der Aufenthalt im niedrigen Erdorbit nach dem Ende der ISS wohl eher in private Hände übergehen dürfte, streben Nasa und Co. nach Höherem: Die Rückkehr zum Mond inklusive Aufbau einer Station im Mondorbit sind die nächsten Ziele. Und auch die Erforschung des Mars mit Menschen ist ein wichtiges Ziel für die kommenden Jahrzehnte. Gerade erst wurde mit dem „Starship“ von Spacex die Rakete getestet, die beides möglich machen soll. Wie es aussieht, werden Raumfahrtorganisationen in Zukunft auf Raumstationen im Erdorbit nur noch „Mieter“ sein – Aufbau und Betrieb überlässt man dann lieber anderen. (tab/dpa)

