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Drei Super-Sonnenstürme trafen die Erde in 62 Jahren – Fachleute warnen: „Bedrohung ist real“

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In den Jahren 1859 bis 1921 trafen drei extreme Sonnenstürme die Erde. Ihre Auswirkungen waren gering. Das dürfte heute anders aussehen, warnen Fachleute.

Nagoya – Im November 2023 konnte man Polarlichter bis weit im Süden sehen – die Sonne hatte einen heftigen Sonnensturm in Richtung Erde geschickt und so für das farbenfrohe Lichterspiel am Himmel gesorgt. Derzeit nähert sich die Sonne dem Aktivitätsmaximum ihres elfjährigen Zyklus und wird immer aktiver. Doch die bunten Polarlichter am Himmel sind nicht die einzige Auswirkung einer aktiven Sonne. Massive Sonnenstürme können auf der Erde auch die Infrastruktur beschädigen, davor warnen Fachleute seit vielen Jahren.

Eine neue Studie zeigt nun, dass die Erde in den vergangenen zweihundert Jahren gleich mehrmals von einem Super-Sonnensturm getroffen wurde. Am bekanntesten ist das sogenannte „Carrington-Ereignis“ aus dem Jahr 1859 und der „New York Railroad Storm“ im Jahr 1921. Ein Forschungsteam hat jetzt jedoch Hinweise auf einen dritten Super-Sonnensturm ausfindig gemacht, der die Erde im Februar 1872 traf.

Drei Super-Sonnenstürme trafen die Erde in gut 60 Jahren

Mithilfe historischer Aufzeichnungen und Sonnendaten aus der Zeit konnte das internationale Team den sogenannten „Chapman-Silverman-Sturm“ aus dem Jahr 1872 genauer untersuchen. „Unsere Ergebnisse bestätigen den ‚Chapman-Silverman-Sturm‘ im Februar 1872 als einen der extremsten geomagnetischen Stürme der jüngeren Geschichte“, erklärt Hisashi Hayakawa, der Leiter der Studie, die im Fachmagazin The Astrophysical Journal veröffentlicht wurde. „Seine Größe konkurriert mit der des ‚Carrington-Sturms‘ im September 1859 und des ‚NY Railroad-Sturms‘ im Mai 1921“, so der Experte von der Universität in Nagoya (Japan), weiter.

Die Sonne ist derzeit aktiver als erwartet. Eruptionen auf der Oberfläche schleudern Plasma ins Weltall, das in Form eines Sonnensturms die Erde treffen kann. (Archivbild)

Was die Forscherinnen und Forscher besonders verblüffte: Der heftige Sonnensturm entstand offenbar aus einer nur mittelgroßen Sonnenflecken-Gruppe in der Nähe des Sonnenzentrums. Das konnte das Team mittels Sonnenflecken-Aufzeichnungen aus italienischen und belgischen Archiven rekonstruieren. Eine Schlussfolgerung: „Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass selbst eine mittelgroße Sonnenfleckengruppe einen der extremsten magnetischen Stürme der Geschichte ausgelöst hat.“

Sonnenstürme sind ein „nicht zu vernachlässigendes Risiko“

Mehr als 700 Aufzeichnungen der Polarlichter im Februar 1872, die in Archiven und Bibliotheken schlummerten, zeigten den Forschenden zufolge, dass die bunte Aurora am Himmel von den Polarregionen bis in die Tropen zu sehen war – also etwa bis in Breitengrade rund um 20 Grad. Zum Vergleich: Der Sonnensturm von Anfang November 2023 war bis nach Italien zu sehen. Rom liegt etwa auf 41,8 Grad Breite, der südlichste Zipfel des Landes liegt etwa auf dem 37. Breitengrad.

„Wir wissen jetzt, dass die Welt in den letzten zwei Jahrhunderten mindestens drei geomagnetische Superstürme erlebt hat. Weltraumwetterereignisse, die so große Auswirkungen haben könnten, stellen ein nicht zu vernachlässigendes Risiko dar“, warnt Hayakawa in einer Mitteilung. Der Forscher fährt fort: „Solche extremen Ereignisse sind selten. Einerseits können wir uns glücklich schätzen, dass wir in der heutigen Zeit von solchen Superstürmen verschont geblieben sind. Andererseits zeigt das Auftreten von drei solcher Superstürme innerhalb von sechs Jahrzehnten, dass die Bedrohung für die moderne Gesellschaft real ist.“

Super-Sonnenstürme können gesamte Infrastruktur lahmlegen

Beim Super-Sonnensturm im Jahr 1872 war die Telegrafenkommunikation weitestgehend lahmgelegt, ähnliches ist auch vom „Carrington-Ereignis“ und dem „New York Railroad Storm“ überliefert. Elektrizität war damals noch nicht weit verbreitet, weshalb sich die weiteren Auswirkungen in Grenzen hielten. In der heutigen technikabhängigen Welt, wären die Auswirkungen eines solchen Super-Sonnensturms jedoch deutlich größer, fürchten Fachleute. Schließlich ist die Menschheit abhängig von Strom, Kommunikationssystemen und Satelliten.

„Je länger die Stromversorgung unterbrochen werden könnte, desto mehr wird die Gesellschaft, insbesondere die Bewohner städtischer Gebiete, damit zu kämpfen haben“, betont Hayakawa. Große Sonnenstürme könnten im schlimmsten Fall das Stromnetz, Kommunikationssysteme, Flugzeuge und Satelliten abschalten. „Könnten wir unser Leben ohne eine solche Infrastruktur aufrechterhalten?“, fragt sich Hayakawa und antwortet selbst: „Nun, sagen wir einfach, es wäre eine extreme Herausforderung.“ (tab)

Rubriklistenbild: © NASA/SDO/AIA/Goddard Space Flight Center

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