„Klar, wer da zu Hause bleibt“
9 Leute warnen vor der Elterngeld-Streichung – „so macht man Karriere für Frauen unattraktiv“
VonJana Stäbenerschließen
Die Einkommensgrenze beim Elterngeld soll schrittweise sinken. „Das motiviert mich ja so richtig zu Kind und Karriere...“
Update vom 17. November 2023, 10.17 Uhr: Für Vielverdiener:innen soll ab dem kommenden Jahr das Elterngeld wegfallen – allerdings mit anderen Eckwerten als bisher geplant. Die Einkommensgrenze soll nicht plötzlich, sondern schrittweise sinken. Bis Ende März soll die Grenze wie bisher bei 300.000 Euro zu versteuerndem Jahreseinkommen liegen, dann bis Jahresende auf 200.000 Euro fallen. Ab April 2025 soll eine Einkommensgrenze von 175.000 Euro gelten.
Außerdem sollen Paare zwar weiterhin zusammen bis zu 14 Monate Elternzeit nehmen können – aber nur noch maximal einen Monat parallel. Mindestens einer der Partnermonate muss allein genommen werden. Das muss zudem innerhalb des ersten Lebensjahres des Kindes sein. Bei Mehrlingsgeburten soll die Änderung nicht gelten.
Ursprungsmeldung vom 04. Juli 2023: Die Einkommensgrenze, bis zu der es Anspruch auf das Elterngeld gibt, soll deutlich gesenkt werden, heißt es am Montag, 3. Juli 2023 aus dem Finanzministerium zum Entwurf des Haushalts 2024. Eine Nachricht, die zeigt, dass die Arbeitswelt der Zukunft für Eltern eher düster aussieht, finden Menschen auf Twitter.
Elterngeld nur noch für Paare, die weniger als 150.000 Euro verdienen
Diese Grenze liegt derzeit bei 300.000 Euro zu versteuerndem Jahreseinkommen bei Paaren und 250.000 Euro bei Alleinerziehenden und soll laut eines Berichts des Spiegels auf 150.000 Euro gesenkt werden. Familienministerin Lisa Paus (Grüne) folge damit Vorgaben aus dem Bundesfinanzministerium von Christian Lindner (FDP), der laut Twitter-Nutzer auch bei der Kindergrundsicherung zu wenig Geld in die Hand nimmt.
Durch die Elterngeld-Streichung könnten 290 Millionen Euro gespart werden. Zunächst seien auch Leistungskürzungen im Gespräch gewesen, schreibt der Spiegel. Diese habe das Familienministerium jedoch vermeiden können, indem es den Kreis der Berechtigten eingeschränkt habe. Trotzdem befürchtet es, dass sich die Kürzung negativ auf die Gleichstellung der Geschlechter auswirken wird.
So geht es auch anderen Politikern und Aktivistinnen. Sie lassen auf Twitter ihre Wut raus und starten sogar eine Petition, in der sie erklären, warum die Elterngeld-Streichung ein „katastrophales Signal gegen Kinder [...] und gegen die Chancengerechtigkeit von Männern und Frauen“ ist und verhindert werden muss. Sie hat (Stand 10. Juli) über 566.000 Unterschriften. BuzzFeed News Deutschland sammelt neun Reaktionen auf die Sparmaßnahme.
1. „Stärkt Retraditionalisierung und Abhängigkeit in der Einkommensgruppe“
Kein #Elterngeld zu bekommen ist am ehesten für Paare eine Option, die im Alleinernährermodell leben und die Frau bspw. mit dem ersten Kind seit zwei Jahren beruflich pausiert, dann ein zweites bekommt. Stärkt also Re-Traditionalisierung und Abhängigkeit in der Einkommensgruppe.
— teresa bücker (@teresabuecker) July 3, 2023
2. „So macht man Karriere für Frauen unattraktiv!“
So macht man Karriere für Frauen unattraktiv! Was genau wollen @Die_Gruenen hiermit erreichen? Dass gut verdienende Frauen vor der Geburt nur noch Teilzeit arbeiten? Erbschaftssteuer, Abschaffung Ehegattensplitting etc. wären deutlich bessere Hebel @lisapaus #Elterngeld https://t.co/ieI0iRGohu
— Lena M. Stork (@LenaStork) July 3, 2023
„Ich übersetze das mal: Gut verdienende Männer bekommen eine Ausrede mehr, warum sie keine Elternzeit nehmen werden – obwohl sie es sich leisten könnten. Eine weitere Maßnahme, die Equal Care torpediert und Männer von Care entlastet“, schreibt die Autorin Teresa Bücker, die sich mit Gleichberechtigungs-Themen wie Care-Arbeit (die in Deutschland immer noch Frauensache ist) und Co. auseinandersetzt.
3. „Ein weiterer Rückschlag auf dem Weg zur Gleichberechtigung“
Nein zur Elterngeld-Kürzung! Unterschreibt bitte diese Petition, die von Verena Pausder initiiert wurde. Die Streichung wäre ein weiterer Rückschlag auf dem Weg zur Gleichberechtigung. https://t.co/WIHjJy1ZWZ via @ChangeGER
— Sawsan Chebli 💯 (@SawsanChebli) July 4, 2023
4. „Die Regierung hat wohl wirklich keinen Bock darauf, dass junge Akademiker Kinder bekommen…“
Wie irre ist das schon wieder? Ab 150.000 € Haushaltseinkommen kein #Elterngeld mehr? Die Regierung hat wohl wirklich keinen Bock darauf, dass junge Akademiker Kinder bekommen…
— Daniel Zimmer (@daniel_zimmer90) July 3, 2023
5. „Ist klar, wer da zu Hause bleibt“
#Elterngeld-Kürzung wäre besonders fatal, wenn beide Elternteile je 75K verdienen. Da wird mit Miete & Co schwierig wenn 50% Gehalt wegfallen.
— Lena-Sophie Müller (@LSMueller) July 3, 2023
Und wenn einer (hüstel) mehr verdient, z.B. 110K ist klar, wer zu Hause bleibt… https://t.co/ZLDyoGuZXu
6. „Das motiviert mich ja so richtig zu Kind und Karriere...“
Also, wenn ich mich für ein Kind entscheiden sollte, dann heißt es vorher die Arbeitszeit deutlich verringern oder lieber nur Mutterschutz. Verstehe ich die Politik da, richtig!? Das motiviert mich ja so richtig zu Kind und Karriere... #Elterngeld
— Lisa K. Iwersen (@LisaKIwersen) July 3, 2023
7. „Enorm sauer“
Selten gesehen, wie schnell und kollektiv noch kinderlose Frauen Mitte 30 heute enorm sauer geworden sind wegen der Pläne beim Elterngeld. Zig frustrierte Chats.
— Ann Cathrin Riedel (@anncathrin87) July 3, 2023
8. Ist das fair?
Elektrikermeister in der Chemieindustrie, 85k€ Jahresbrutto. Erwartet mit seiner Frau das erste Kind.
— sparbuchfeinde (@sparbuchfeinde) July 3, 2023
Elterngeld für die Familie wenn die Frau Teilzeit arbeitet: 25.200€
Elterngeld für die Familie wenn die Frau Vollzeit arbeitet: 0€
Wer das fair nennt, hasst Leistung.
9. „Fördert auch alte Stereotype“
Das ist ja mal ne Bombe. Die Einkommensgrenze für Elterngeld wird von 300.000 auf 150.000 gesenkt. Damit wird Kinderkriegen nicht nur für viele Paare unattraktiver, es fördert auch alte Stereotype, weil leider meist noch der Mann mehr verdient. Fail.https://t.co/y3ADbQCnnj
— Elisabeth Gamperl (@FrauGamperl) July 3, 2023
Neben all der Wut, gibt es jedoch auch Gegenstimmen. Vor allem die, die sowieso nicht 150.000 Euro im Jahr verdienen, seien davon ja gar nicht betroffen, schreibt dieser Nutzer (siehe unten). Er zeigt einen Screenshot des IW-Rechners, in dem das Nettogehalt eines Paares angezeigt wird, das 150.000 Euro brutto pro Jahr verdient. „Weil ich hier sehr viele ‚Das-schadet-der-Mittelschicht!‘-Takes zur Elterngeld-Reform sehe“, schreibt er dazu.
Und es stimmt: Viele Menschen ordnen sich fälschlicherweise der Mittelschicht zu, obwohl sie entweder viel mehr oder viel weniger Geld zur Verfügung haben. „Familie mit zwei Kindern, 150k Haushaltseinkommen/Jahr im Gehaltsrechner sind netto 7.831 Euro im Monat (Steuerklasse 3). That‘s not Mittelschicht.“
Weil ich hier sehr viele "Das-schadet-der-Mittelschicht!"-Takes zur #Elterngeld-Reform sehe: Familie mit 2 Kindern, 150k Haushaltseinkommen/Jahr im Gehaltsrechner @iw_koeln. Netto 7.831 Euro im Monat (Steuerklasse 3). That's not Mittelschicht. pic.twitter.com/VYqYMUPc08
— Josh Groeneveld (@Josh_Groeneveld) July 3, 2023
(Mit Material der dpa)
Mehr zum Thema: So finanziert der Staat die Rente, wenn man in Elternzeit ist.
Rubriklistenbild: © photothek/IMAGO/Collage
