„Offensichtliche Beeinflussung“

Wenn Kinder „aussehen wollen wie erwachsene Influencer“ – Mediziner warnen

  • Jana Stäbener
    VonJana Stäbener
    schließen

Plastische Chirurgen warnen vor Schönheits-Filtern auf Social Media und fordern eine Kennzeichnungspflicht. Wie könnte die aussehen?

Wer Schönheits-Filter wie den Bold Glamour Filter benutzt, der makellose Haut und markante Wangenknochen zaubert, sollte verpflichtet sein, das zu markieren, finden die drei großen Fachgesellschaften für Plastische und Ästhetische Chirurgie in Deutschland (DGPRÄC, VDPÄC und DGÄPC). In einer Petition fordern sie eine Kennzeichnungspflicht für digital bearbeitetes Bildmaterial. Sie liegt nun bei den Bundesministerien für Justiz und für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

In die Praxen der Chirurgen und Chirurginnen kommen auffällig viele junge Patienten und Patientinnen mit realitätsfremden Wünschen – ausgelöst durch Social Media. „Am einprägsamsten war ein Jugendlicher mit 16 Jahren, der unbedingt ein breites Kinn wollte“, sagt Alexander Hilpert, Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie BuzzFeed News Deutschland von IPPEN.MEDIA.

„Er wollte dabei eine Kinnabsaugung und einen gleichzeitigen Aufbau des Kinns, um eine markantere Kinnpartie zu bekommen. Dabei hatte er ein ganz normales attraktives Gesicht, wollte aber unbedingt aussehen wie ein erwachsener Influencer, dessen Bilder er mitbrachte.“

Schönheitschirurgen warnen davor, dass Jugendliche wie TikTok-Filter aussehen wollen. (Symbolbild)

Kennzeichnungspflicht: Plastische Chirurgen sehen sich gezwungen, Patienten abzulehnen

Hilpert habe den Eltern des Jungen, die ihn zur Beratung begleiteten, geraten, mit ihm „besser zum Psychologen als zum Plastischen Chirurgen zu gehen“, sagt er BuzzFeed News Deutschland. „Denn neben dieser sehr offensichtlichen Beeinflussung durch die sozialen Medien, kann ein Kinn im Alter noch wachsen. In solchen Fällen sehe ich mich in der Pflicht, Patienten abzulehnen.“

Ähnliche Situationen erlebt auch Marcus Lehnhardt von der Universitätsklinik für plastische Chirurgie in Bochum. Auch er sieht es sehr kritisch, wenn junge Personen Schönheitsoperationen durchführen lassen. Nicht nur, weil ihr Körper noch nicht ausgewachsen ist, sondern auch, weil ihre Persönlichkeitsentwicklung in jungen Jahren noch gar nicht abgeschlossen sei. „Die wenigsten setzen sich differenziert damit auseinander, dass da Filter drüberlaufen und die Bilder überhaupt nicht echt sind“, sagt er BuzzFeed News Deutschland. Ist eine Kennzeichnungspflicht die Lösung?

Dies ist ein Artikel von BuzzFeed News Deutschland. Wir sind ein Teil des IPPEN.MEDIA-Netzwerkes. Hier gibt es alle Beiträge von BuzzFeed News Deutschland.

Was würde eine Kennzeichnungspflicht von Schönheits-Filtern bringen?

„Kennzeichnungen sorgen für Transparenz und Orientierung“, sagt Eva Flecken, Vorsitzende der Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK) sowie der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM) BuzzFeed News Deutschland. Das sehe man an der Pflicht zur Kennzeichnung von Werbung ganz deutlich. Jährliche Transparenz-Checks zeigen, dass sich Nutzer diese sogar „explizit wünschen“ würden. „Wir können also davon ausgehen, dass es zu mehr Vertrauen bei Nutzerinnen und Nutzern führt, wenn digital bearbeitetes Bildmaterial in den sozialen Medien und der Werbung kenntlich gemacht würde“, sagt Flecken.

Könnte eine Kennzeichnung dieser Art verhindern, dass Jugendliche unrealistische Schönheitsideale verfolgen? (Symbolbild)

Doch wie könnte die aussehen? Die Aufgabe der Landesmedienanstalten bestehe darin, aufzuklären und zu kontrollieren, ob solche Kennzeichnungspflichten eingehalten werden. Was die Werbekennzeichnung anbelange, geben die Medienanstalten einen entsprechenden Leitfaden heraus. Bis es solch einen auch für Schönheits-Filter gibt, kann es noch dauern. „Zunächst brauchen wir eine einheitliche Praxis“, sagt Flecken.

Die Plastischen Chirurgen der DGÄPC machen in ihrer Petition einen Vorschlag, wie solch eine Kennzeichnung aussehen könnte: Ein pinker warnender Kreis, auf dem #MitFilter und #bearbeitet steht. „Jetzt ist es entscheidend, was die Politik daraus macht“, sagt Hilpert.

Rubriklistenbild: © Westend61/IMAGO