„Wir sind die einzigen Konservativen“
Omikron-Lockerungen? Virologe Stöhr nennt konkrete Corona-Regeln, die man jetzt ändern sollte
VonKathrin Reikowskischließen
Die Pandemie ist noch nicht vorbei: Virologe Stöhr warnt vor unkontrollierten Lockerungen. Doch einige Maßnahmen hätten nichts mehr mit den Zahlen auf den Intensivstationen zu tun.
Hinweis der Redaktion
Liebe Leserinnen und Leser, versehentlich wurde die Uhrzeit dieses Artikels aktualisiert.
Das eigentliche Veröffentlichungsdatum lautet: 09.02.2022.
Wir bitten diesen Fehler zu entschuldigen.
Berlin - „Man muss vor unkontrollierten Lockerungen warnen, das ist definitiv nicht der richtige Weg“, sagt Professor und Virologe Dr. Klaus Stöhr im Interview mit Welt. „Die Coronavirus-Pandemie ist noch nicht vorbei“. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte sich zuletzt für Lockerungen erst vor Ostern ausgesprochen, was ihm Kritik einbrachte. Virologe Stöhr sieht einen Mittelweg, der auf Fakten basieren solle.
Einige Maßnahmen sollten bereits jetzt zurückgenommen werden, weil sie sogar „kontraproduktiv“ sein könnten, „was das Mitnehmen der Bürger betrifft und den Schwung der Impfkampagne.“ Dazu gebe es auch Daten, die belegten, dass einzelne Maßnahmen nicht mehr effizient seien.
Virologe Stöhr sieht diese Maßnahmen als nicht mehr effizient an
Zu den nicht mehr zeitgemäßen Regelungen zählt Stöhr:
- die 2G/2G-Plus-Regelungen im Einzelhandel und in der Gastronomie
- Quarantäne für Kontaktpersonen
- das „anlasslose, breite Testen der Schüler“ drei Mal pro Woche
„Hier gibt es also einige Stellschrauben, an denen man jetzt schon drehen sollte. Und dazu braucht es einen Fahrplan, der zeigt, wie es weitergehen kann“, so Stöhr.
Die Omikron-Variante bringe aktuell nur etwa 0,35 Prozent der Infizierten in die Krankenhäuser, und das müsse auch nicht immer bedeuten, dass jemand schwer erkranke. Trotzdem gebe es natürlich bei einigen Sorgen davor. „Aber das ist ja auch eine Sorge, der man begegnen kann durch umsichtige Lockerungen.“
Virologe Stöhr: Sorge vor überlasteten Intensivstationen hat nichts mehr mit Quarantäneregelungen zu tun
„Die Zahlen auf den Intensivstationen haben nichts mehr mit den genannten Maßnahmen zu tun“, so Stöhr. „Die Menschen auf den Intensivstationen sind die ungeimpften Älteren.“ In vielen Bereichen der Diskussion vermisst Stöhr deshalb derzeit klare Zahlen, zu viel werde auf Emotionen gesetzt. Ein Beispiel hierfür sei auch die Impfpflicht - es sei zu wenig, von einer „hohen Grundimmunität“ zu sprechen.
„Ich kann ja verstehen, dass man sehr konservativ denkt. Aber irgendwann muss das Zögern auch in Zahlen gefasst werden“.
Die Politik habe sich aktuell teilweise von den Zahlen entfernt, so Stöhr. Ebenfalls in der Welt sagte Stöhr bereits im Januar, das Ende der Pandemie sei absehbar:
Klare Vorhersagen wolle er nicht treffen, aber es sei wichtig, Parameter vorzulegen. „Wir sind die einzigen in Europa, die konservativ handeln. Das kann also nicht am Virus liegen, das muss höchstwahrscheinlich an der Politik liegen.“ Zuletzt hatte auch Prof. Christian Drosten die Subtypen der Omikron-Variante eingeordnet - und von einer verbesserten Situation Richtung Ostern gesprochen.