Erziehung

Noch radikaler als „Helikopter-Eltern“: „Schneepflug-Eltern“ räumen für ihre Kinder alles aus dem Weg

  • Romina Kunze
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Ein Schneepflug räumt alles weg, was stören könnte. Und genauso machen es auch „Schneepflug-Eltern“ für ihre Kinder. Der Trend zur Überfürsorge ist bedenklich, sagt ein Experte.

München – Sogenannte „Helikopter-Eltern“ dürften auch kinderlosen Menschen längst ein geläufiger Begriff sein: Er wird umgangssprachlich gerne für eben jene Mütter und Väter benutzt, die ihre ständig um ihre Kinder schwirren. Sie beispielsweise jeden Tag persönlich in die Schule bringen. Am liebsten bis in den Klassenraum.

„Schneepflug-Eltern“ sind die Rammböcke unter den „Helikopter-Eltern“: Sie beseitigen Probleme persönlich

Die „Schneepflug-Eltern“ können wohl als die extremste Form der Helikopter-Eltern betrachtet werden. Ähnlich wie die „Curling-Eltern“ versuchen sie ihre Kinder vor potenziellen Gefahren zu schützen. Doch während „Curling-Eltern“ bestrebt sind, ihren Kindern einen reibungslosen und ungehinderten Lebensweg zu ermöglichen, räumen die Schneepflug-Mütter und -Väter absolut alles aus dem Weg, das sich ihren Kleinen möglicherweise entgegenstellen könnte.

Die Eltern gehen vornweg: Überfürsorglichkeit kann zum Problem werden.

Streit mit einem Mitschüler? Die Schneepflug-Eltern verpassen ihm eine Standpauke. Schlechte Noten? Der Lehrer ist schuld. Bei Problemen stehen Schneepflug-Eltern sofort persönlich auf der Matte und beseitigen die Schwierigkeiten für ihre Kinder. Aufbrausender sind nur Tiger-Eltern.

Die richtige Erziehung? Eltern neigen immer mehr zur übermäßigen Behütung

Die wissenschaftliche Belegung für die verschiedenen Begriffe der Erziehungsmethoden ist laut Psychologe Claus Koch nicht gegeben. Dennoch erkennen Experten einen deutlichen Trend zur übermäßigen Behütung durch Eltern. Der Psychologe Koch erklärt, dass tatsächlich die Ängste der Eltern bezüglich der Zukunft ihrer Kinder zugenommen haben.

Im Jahr 2013 schätzte Josef Kraus, der ehemalige Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, dass etwa zehn bis 15 Prozent aller Eltern Verhaltensmuster von „Helikopter-Eltern“ aufweisen. Ein Tweet einer Mutter deutet darauf hin, dass sich diese Tendenz in den letzten zehn Jahren eher verstärkt als abgeschwächt hat. Laut diesem Tweet waren Eltern emotional berührt und hatten Tränen in den Augen, als ihnen von der Schulleitung untersagt wurde, ihre Kinder zur Schule zu fahren.

Nicht eigenständig genug: Überfürsorge kann zu Problemen für die Kinder führen

Obwohl manche Menschen belustigt oder empört über Eltern sein mögen, die ihre Kinder übermäßig behüten, kann die überfürsorgliche Erziehung für die Kinder problematisch sein. Laut Prof. Dr. Stephan Bender, dem Direktor der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters an der Uniklinik Köln, fehlt es Kindern von Helikopter-Eltern oft an sozialer Kompetenz und Eigeninitiative. Dies betont er im Gesundheitsmagazin der AOK.

Aufgrund der überbehüteten Erziehung haben Kinder oft Schwierigkeiten, ihre Bedürfnisse auszudrücken und sind nicht eigenständig genug, um ihr volles Potenzial zu entfalten, erklärt der Experte. Dies könnte zu einer „Generation lebensunfähig“ führen. Neben den typischen Merkmalen überbehüteter Kinder spricht Bender auch über mögliche Umstände der Eltern. Insbesondere soziale Medien spielen dabei eine Rolle. Heutzutage haben vor allem Mütter mit den Klischees der berufstätigen Rabenmutter und der überfürsorglichen Helikoptermutter zu kämpfen.

„Die elterliche Funktion besteht unter anderem darin, ihr Kind nur so lange zu unterstützen, bis der Punkt erreicht ist, an dem es allein übernehmen kann.“

Prof. Dr. Stephan Bender über richtige Erziehung.

„Die elterliche Funktion besteht unter anderem darin, ihr Kind nur so lange zu unterstützen, bis der Punkt erreicht ist, an dem es allein übernehmen kann“, sagt Bender. Allerdings könne das Pendel auch in die entgegengesetzte Richtung ausschlagen, wie ein Trend aus den USA zeigt: Dort werden unter dem Prinzip der „Freilandhaltung“ oft wenige bis keine Grenzen gesetzt. Delfin-Eltern setzen Grenzen, erklären ihren Kindern aber auch, warum es sie gibt.

Für diesen von der Redaktion geschriebenen Artikel wurde maschinelle Unterstützung genutzt. Der Artikel wurde vor Veröffentlichung von Redakteur Moritz Bletzinger sorgfältig überprüft.

Hinweis aus der Redaktion: In einer früheren Version des Textes hieß es, dass Josef Kraus bereits verstorben sei. Dies ist nicht korrekt. Der Fehler wurde korrigiert.

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