Von „Sigma“ bis „Nachhaltigkeit“
Diese deutschen Wörter könnten in 25 Jahren aussterben
VonSophia Sichtermannschließen
Die Sprache ist ständig im Wandel. Ein Futurologe erklärt, welche Wörter in 25 Jahren weg sein werden – und wie in Zukunft gegendert wird.
Wyld. Cringe. Sheesh. Sprache unterliegt ständigen Trends. Das zeigt sich regelmäßig bei der Wahl zum „Jugendwort des Jahres“, bei der viele die Wörter zum ersten Mal hören, wenn Susanne Daubner sie in der „Tagesschau“ vorliest. Immer wieder entflammen auch Debatten darüber, wie viele Anglizismen die deutsche Sprache verträgt oder ob Gendern sie ganz zerstört. In mehreren Bundesländern ist in Schulen Gendern mittlerweile sogar verboten.
Wie wirken sich solche Diskurse auf die Sprache aus? Und welchen Einfluss hat Technologie auf unsere Kommunikation? BuzzFeed News Deutschland von IPPEN.MEDIA hat den Zukunftsforscher und Kulturanthropologen Tristan Horx gefragt, welche Wörter bis 2050 vermutlich nicht mehr in Gebrauch sein werden – und welche sie ersetzen könnten.
1. Obacht!
„Viele Wörter, die die Boomer-Generation benutzt, kommen aus einem anderen Zeitalter und werden deswegen mit der Zeit verschwinden“, erklärt Horx. Altbackene Begriffe, die heute aber noch vereinzelt in Gebrauch sind, werden spätestens mit den älteren Generationen aussterben. Dazu zählen neben „Obacht“ auch Wörter wie „Malochen“, „Firlefanz“ oder „Blümerant“.
2. Sackerl (statt Tüte)
Immer mehr Kommunikation finde heutzutage online statt, wodurch sich die Sprache homogenisiere. In vielen Regionen würden deshalb mit der Zeit zunehmend die Dialekte verschwinden. „In Österreich rutscht der Generation Z beispielsweise das Wort ‚Tüte‘ statt ‚Sackerl‘ heraus, sehr zum Ärger der älteren Generation“, berichtet der Zukunftsforscher. Der Grund dafür sei oft, dass junge Menschen deutschen Influencern folgen würden. Weitere gefährdete Dialekt-Wörter seien „Jause“ für eine kleine Mahlzeit zwischendurch, „Erdapfel“ statt Kartoffel und in der Schweiz werde sich der Schmetterling gegen den „Summervogel“ durchsetzen.
3. Grüß Gott
Die Grußformel sei doppelt bedroht: Zum einen, weil sie vor allem in süddeutschen Dialekten verwendet werde und zum anderen, da die Jugend „so gut wie gar nicht religiös“ sei.
4. Nachhaltigkeit
„Der Begriff ‚Nachhaltigkeit‘ ist tot – den kann keiner mehr hören“, erklärt Horx. Dabei sei das Problem nicht die Idee, sondern das Marketing. Nachhaltigkeit werde heute oft mit Verknappung und Verzicht gleichgesetzt. „Hier haben die Rechten den Kulturkampf gewonnen“, sagt Horx BuzzFeed News Deutschland.
5. Klimakatastrophe
Dieser Begriff habe allein in den vergangenen Jahren mehrere Änderungen erfahren: Aus dem Klimawandel wurde die Klimakrise und dann die Klimakatastrophe. „Statt von ‚Klimakatastrophe‘ zu sprechen – was die Menschen eher lähmt – sollte ein neuer Begriff entstehen: ‚Öko-Hedonismus‘ oder ‚Intelligente Verschwendung‘“. Denn eigentlich sei es „großartig“, wenn sich die Menschheit von den begrenzten fossilen Brennstoffen löse und auf erneuerbare Energien umsteige. „Statt Einschränkung sollten wir das als Chance begreifen“, sagt Horx.
6. Skibidi
Englischsprachige Meme-Begriffe, die vor allem von jungen Menschen verwendet werden, würden in Zukunft zunehmend weniger relevant. „Die US-amerikanische Soft Power nimmt ab, die USA verlieren gerade ihre kulturelle Hegemonie“, erklärt der Experte. Künftig würde es deshalb weniger Wörter wie „Sigma“, „Rizz“, „Ohio“ oder „Skibidi“ geben. Jugendsprache sei ohnehin „sehr schnelllebig“ und würde sich ständig verändern.
7. Prompten
Der Zukunftsforscher geht davon aus, dass in 25 Jahren niemand mehr den Begriff „prompten“ benutzen wird, da sich Künstliche Intelligenz weiterentwickelt haben werde. Horx sagt: „Auch bei KI wird sich irgendwann ein Monopolist durchsetzen.“ Vielleicht werden Menschen eines Tages „GPT-en“, so wie sie heute selbstverständlich „googeln“, vermutet der Experte.
8. Facebook
„Ich gehe davon aus, dass Facebook in seiner jetzigen Form mit den Boomern aussterben wird“, schätzt der Experte. Zudem vermutet er, dass TikTok in den kommenden Jahren zunehmend durch EU-Regulierungen eingeschränkt wird und dadurch an Relevanz verliert.
9. Smartphone
„Es wird eine Zeit kommen, in der das Smartphone, wie wir es heute kennen, als Begriff überholt sein wird“, sagt Horx. Schon jetzt sei Telefonieren nicht mehr die Hauptfunktion des Geräts, sondern es sei eher ein „Hand-Computer“.
10. Work-Life-Balance
„Ich glaube, dass man im Jahr 2050 auf den Begriff ‚Work-Life-Balance‘ so zurückblicken wird, wie wir heute auf die 80-Stunden-Woche schauen: barbarisch“, sagt der Zukunftsforscher BuzzFeed News Deutschland. „Work-Life-Balance“, ebenso wie „Gleitzeit“ oder „Einstempeln“ seien industriell geprägte Begriffe. Auf lange Sicht würden Arbeitsprozesse jedoch zunehmend automatisiert, digitalisiert und von KI übernommen. Das würde sich dann auch im Sprachgebrauch spiegeln.
11. Pilot*innen und Lehrer:innen
Der Experte geht davon aus, dass die gegenderten Schreibweisen mit Sternchen oder Doppelpunkt wieder verschwinden werden und sich die Paarnennung, also zum Beispiel Ärztinnen und Ärzte, durchsetzen wird. Das Gendern sei ein „Trend, der sich zugespitzt hat, gefolgt von einer überspitzten Gegenbewegung – und irgendwann wird sich das vermengen“, prognostiziert Horx.
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